11.04.2024

Bessere Standardisierung von Forschungssoftware

Internationales Projekt EVERSE bringt Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Wiederverwendbarkeit von Code voran.

Forschungsgemeinschaften weltweit entwickeln eine Vielzahl von Softwareanwendungen, die als unerlässliche Werkzeuge für den wissenschaftlichen Fortschritt dienen. Ein gemeinsames Anliegen besteht darin, die Zuverlässigkeit dieser Anwendungen sicherzustellen und gleichzeitig Fragen zur effektiven Wiederverwendbarkeit sowie ihrer langfristigen Nachhaltigkeit zu klären. Dieser Aufgabe widmet sich das internationale Projekt EVERSE (European Virtual Institute for Research Software Excellence), mit dem die Beteiligten ein Netzwerk für die Sicherung der Qualität von Forschungssoftware schaffen wollen und bei dem das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) federführend mitwirkt.


Abb.: EVERSE Artwork
Abb.: EVERSE Artwork
Quelle: L. Portell Silva, Barcelona Supercomputing Center

Guido Juckeland, Leiter Computational Science am HZDR, kennt die Schwierigkeiten: „Forscher vieler Bereiche entwickeln Programme, die zum Teil äußerst spezifische Aufgaben übernehmen, für die es oftmals keine kommerziellen Lösungen gibt. Die Programmierer in den Instituten haben jedoch meist keine formale Software-Ausbildung: Ihr Enthusiasmus führt die Beteiligten zwar zu funktionierenden Anwendungen, die jedoch häufig ohne Standardisierung der Softwareentwicklungstechniken und den damit verbundenen Vorteilen entwickelt werden.“

Das notwendige Vertrauen in die Langlebigkeit von Software erfordert eine transparente Darstellung guter Techniken und klare organisatorische Prozesse, die im Ergebnis auch anderen Nutzer eine problemlose Verwendung ermöglichen. Dieser Aufgabe will sich das internationale Projekt EVERSE widmen, an dem 18 Einrichtungen beteiligt sind und das über seine Laufzeit von drei Jahren am HZDR mit 550.000 Euro gefördert wird.

Forschungssoftware ist eine Sammelbezeichnung für Computer-Codes, die direkt am Forschungsprozess beteiligt sind und zum Erkenntnisgewinn beitragen. Das können Steuerprogramme der Großforschungsanlagen über Computer-Simulationen bis hin zu auf spezielle Fragestellungen von Forschungsproblemen zugeschnittene Software sein. Bekannte Vertreter am HZDR sind beispielsweise PIConGPU, OpenFOAM, Tridyn und MALA.

Um sicherzustellen, dass Forschungssoftware von der für den Einsatz erforderlichen Qualität und stets aktuell ist, bedarf es eines Ansatzes, der sich an Entwickler auf verschiedenen Erfahrungsebenen richtet. Dies schließt zum einen Forscher ein, die programmieren, zum anderen auch spezialisierte Ingenieure für Forschungssoftware (Research Software Engineers, RSEs). Dieser Ansatz soll auch die vielfältigen Herausforderungen in den Entwicklungsprozessen berücksichtigen. Um die damit verbundene Komplexität zu bewältigen, wurde bereits ein dreistufiges Modell für Forschungssoftware entwickelt, das Analysecode, Prototyp-Tools und erstklassige Forschungssoftware dienen. „Es ist entscheidend, dass wir die Wertschätzung von Entwicklern und Software als integralen Bestandteil einer Strategie zur Förderung nachhaltiger Softwarepraktiken verstehen. Deshalb steht bei EVERSE nicht nur die eigentliche Entwicklung von Forschungssoftware im Vordergrund, sondern auch das Community Engagement“, beschreibt Juckeland das Anliegen von EVERSE. Hier wird sich das Team des HZDR vordergründig betätigen.

Forschung, die sich mit den großen gesellschaftlichen Herausforderungen befasst, erfordert eine disziplinübergreifende Zusammenarbeit. Dabei gilt es, die naturgemäße Heterogenität zwischen den einzelnen beteiligten Bereichen zu überbrücken. Zu diesem Zweck wurden in Europa Wissenschaftscluster initiiert. Allein ein Blick auf die beteiligten, ganz unterschiedlichen Disziplinen lässt die Größe dieser Aufgabe erahnen: ESCAPE (Astro- und Teilchenphysik), ENVRI (Umweltwissenschaften), EOSC-Life (Lebenswissenschaften), PaNOSC (Photon- und Neutronenwissenschaften) und SSHOC (Sozial- und Gesellschaftswissenschaften) sind hier gebündelt. Mit einer gemeinsamen Strategie sollen die verfügbaren wissenschaftlichen Instrumente und Forschungsinfrastrukturen des Kontinents für die disziplinübergreifende Forschung verbessert werden. Das betrifft auch die Qualität der dazugehörigen Forschungssoftware. An dieser Stelle kommt wieder EVERSE ins Spiel. Das Projekt wird hier die Herausforderung angehen, einheitliche Strukturen zu schaffen.

Unter anderem mit der Plattform HIFIS (Helmholtz Federated IT Services) verfolgt die Helmholtz-Gemeinschaft das Ziel, die Datenschätze und die vielfältige, dezentrale Expertise der 18 Helmholtz-Zentren zusammenzuführen. Die Informatiker des HZDR unterstützen maßgeblich bei der Entwicklung von Forschungssoftware und bieten dafür eine Vielzahl von Services an. Juckeland sieht in der Arbeit seines Teams ein Gleichnis zur analogen Welt: „Wenn ich beispielsweise eine Fabrik qualitativ verbessern möchte, benötige ich gute Werkzeuge und das Verständnis des Personals im Umgang damit. Das ist in der Forschungssoftware ganz ähnlich. Wir bieten zum Beispiel Schulungen, Toolkits und Handbücher an und machen den Nachwuchs mit Techniken wie dem automatisierten Testen vertraut. Wir informieren darüber hinaus auch über verschiedene Kategorien von Software und die ihnen innewohnenden rechtlichen Besonderheiten und geben Empfehlungen für den konkreten Anwendungsfall.“

Ein Anzeichen für den Erfolg der Anstrengungen: Die vom HZDR betriebene Softwareentwicklungsplattform auf Basis der GitLab Community Edition hat sich mittlerweile zum populärsten Dienst in der Helmholtz-Cloud mit über 16.000 Nutzern gemausert. Das lässt den Stellenwert von Software-Entwicklung bei Helmholtz erahnen. Denn dieses Versionsverwaltungssystem erleichtert den Entwicklern ihre Arbeit: So können mehrere Programmierer zeitgleich arbeiten, indem sie sich zum Beispiel verschiedene Teile eines Programms vornehmen.

Neben dem Schwerpunkt des Community Engagements wird das HZDR auch die League of European Accelerator-based Photon Sources (LEAPS) als Teil eines der beteiligten Wissenschaftsclusters vertreten.

HZDR / DE


EnergyViews

EnergyViews
Dossier

EnergyViews

Die neuesten Meldungen zu Energieforschung und -technologie von pro-physik.de und Physik in unserer Zeit.

Virtuelle Jobbörse

Virtuelle Jobbörse
Eine Kooperation von Wiley-VCH und der DPG

Virtuelle Jobbörse

Innovative Unternehmen präsentieren hier Karriere- und Beschäftigungsmöglichkeiten in ihren Berufsfeldern.

Die Teilnahme ist kostenfrei – erforderlich ist lediglich eine kurze Vorab-Registrierung.

Meist gelesen

Themen