14.10.2015

Billard mit Licht und Materie

Erforschung von chaotischem Verhalten beim Quanten-Billard mit Hybridteilchen aus Licht und Materie.

In einem internationalen Projekt haben die Forscher in gewisser Weise einen extrem verkleinerten Billardtisch gebaut, auf dem die Kugeln durch Quantenteilchen ersetzt werden. Der „Tisch“ besteht in der Realität aus einem kleinen Chip, der im Würzburger Gottfried-Landwehr-Labor für Nanotechnologie hergestellt wurde. Die Banden sind jedoch nicht aus betuchtem Holz, sondern werden durch Licht definiert.

Abb.: Illustration des „Billard-Tischs“ (Bild: Australian National Univ.)

Die australischen Ko-Autoren der Studie können mit einer speziellen Spiegel- und Gitterkonfiguration einen Laserstrahl so formen, dass er die Billard-Form annimmt. Durch die Anregung per Laser werden Licht-Materie-Hybridteilchen auf dem Tisch erzeugt, welche sich im System ausbreiten. „Sie haben die Eigenschaft, von der Position, wo der Lichtimpuls auf den Chip trifft, wegzufließen“, erklärt Christian Schneider von der Universität Würzburg. Diese Polaritonen stellen eine Verbindung an der Grenze von Licht und Materie dar. „Es entstehen Mischzustände, die von außen relativ gut zugänglich sind. Ein reines Lichtsystem kann ich von außen nicht so gut beeinflussen“, sagt Schneider.

Der Coup beim Billardtisch: Eine Ecke ist mit einer kreisrunden Ausbuchtung versehen. „Wenn die Billardkugel keinen eigenen Spin hat, entspricht der Einfallswinkel an einer normalen Bande dem Ausfallswinkel. Der Lauf der Kugel ist komplett voraussagbar, auch wenn man besonders kräftig anstößt“, sagt Christian Schneider. Mit einer „runden Ecke“ trifft dies nicht mehr zu. Sie führt dazu, dass die Bewegung der Billardkugel – also des Polaritons – nicht mehr voraussagbar ist. Wenn es einmal auf diesen Bereich trifft, sind viele Abprall-Winkel möglich. Mit Hybridteilchen konnte dies in der Quantennatur bisher noch nicht abgebildet werden.

„Es ist wichtig herauszufinden, was passiert, wenn in einem Quanten­system Imperfektionen bestehen“, sagt Schneider. Denn auch in Quanten­strukturen möchten Physiker im Endeffekt eine Information von A nach B schicken. Dies kann in ferner Zukunft unter anderem die Grundlage neuer Wege der Daten­übertragung oder -speicherung sein. Was diese Information fehlleiten könnte, ist also von großer Bedeutung. „Solch ein Billardspiel zeigt uns, was passiert.“ Die Forscher haben mit dem Billard ein Modell gebaut, um solchen chaotischen Effekten auf die Spur zu kommen.

Zudem ist die fundamentale Studie eines chaotischen Systems auch für andere Physiker von Interesse. „Ein Quantenmodell verhält sich immer anders als ein klassisches System. Wenn man dieses chaotische Billard im Quantensystem abbilden und gezielt manipulieren kann, ergibt sich daraus möglicherweise ein besseres allgemeines Verständnis vom Chaos und der Bewegung der Hybridteilchen auf der Quantenebene“, sagt Schneider.

Bei dem Material, das die Grundlage des Billardtisches darstellt, handelt es sich um ein Halbleiter-Vielschichtkonzept. Während bei ähnlichen Versuchen bisher beispielsweise Mikrowellen zum Einsatz kamen, kam bei der Miniaturisierung eine der Stärken der Würzburger Physik zum Tragen. „Wir bewegen uns hier im Bereich von einem bis zehn Mikrometern“, sagt Sven Höfling, Leiter des Lehrstuhls für Technische Physik.

Der Chip kann zudem auch in Zukunft für weitere Forschungen vergleichsweise einfach genutzt werden: „Der von uns hergestellte Chip zeigt die Physik. Nun kann man von außen Licht aufbringen und es konfigurieren, wie man möchte“, sagt Höfling und ergänzt: „An der Hardware muss nichts geändert werden und ich kann im Prinzip jede beliebige Form aufbringen.“

Ein weiterer wichtiger Faktor bei dem Versuch: Die Forscher schufen ein nicht-hermitesches System. „Das muss man sich so vorstellen: Die Bande des Systems ist nicht unendlich hoch, die Kugel kann auch über den Tisch hinausfliegen – was die Komplexität deutlich erhöht“, sagt Höfling. Es sei gelungen, eine sehr komplexe Physik in dem Versuch abzubilden und genau zu untersuchen. Nach einiger Zeit zerfallen die Hybridteilchen wieder. Dann sind sie vergleichsweise leicht zu detektieren: „Ich brauche lediglich eine Kamera mit einem Spektrometer“, sagt Christian Schneider.

Als nächstes möchten die Würzburger Wissenschaftler versuchen, das Chaos wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Sie möchten die beobachteten Effekte nutzbar machen. „Uns interessiert schon die Frage, wie weit man das noch treiben kann“, sagt Schneider und nennt dabei konkret den Ansatz, möglicherweise Logik-Schaltungen auf Basis der Bewegung der Hybridteilchen zu bauen.

U. Würzburg / DE

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