14.03.2016

Biologischen Strahlenschäden auf der Spur

Elektronische Zerfallsprozesse an Metallzentrum sind wichtige Ursache für Strahlenschäden an Biomolekülen.

Welche Vorgänge laufen im Detail ab, wenn Röntgen­strahlung an Biomolekülen mit einem Metall­zentrum Strahlen­schäden verursacht? Dieser Frage ist ein Wissenschaftler­team am Physikalisch-Chemischen Institut der Universität Heidelberg nachgegangen. Die Forscher haben dazu die zugrundeliegenden elektronischen Zerfalls­prozesse, die die Absorption der Röntgen­strahlung auslöst, mit quanten­chemischen Methoden untersucht. Dabei hat sich gezeigt, dass das Metallzentrum eine entscheidende Rolle bei der Zerstörung des Moleküls spielt.

Abb.: Verschiedene elektronische Relaxationsmoden eines vierfach ionisierten Magnesium-Kations (Bild: V. Stumpf et al.)

Strahlenschäden, die aus der Wechselwirkung von hoch­energetischer Röntgen­strahlung mit biologischer Materie entstehen, stellen ein in der Wissenschaft allgemein bekanntes Phänomen dar. Sie treten unter anderem auf, wenn Substrate – wie etwa Proteine – mit Hilfe von Röntgenlicht mit dem Ziel analysiert werden, die elektronische Struktur oder die räumliche Anordnung der Atome zu bestimmen. Diese Schäden zeigen sich verstärkt, so Cederbaum, in unmittel­barer Umgebung von Metallzentren, die essentiell für die Stabilität und biologische Funktion der Biomoleküle sind.

Die elektronischen Zerfallsprozesse, die damit verbunden sind, haben die Heidelberger Forscher mit Hilfe computer­gestützter Methoden aus der Quanten­chemie untersucht. Im Mittel­punkt standen dabei die Vorgänge, die ablaufen, wenn Röntgen­strahlung durch das Metall­zentrum eines Biomoleküls absorbiert wird. Als Modell­system nutzten die Wissenschaftler ein sogenanntes Micro­cluster. Dabei handelte es sich um ein chemisches System, bei dem Wasser­moleküle um ein Metallzentrum – hier das zweifach positiv geladene Magnesiumion – angeordnet sind.

Wie Cederbaum erläutert, verliert das Metallzentrum durch die Absorption von Röntgen­strahlung zunächst mehrere Elektronen. Dadurch entsteht ein hoch­geladenes und hoch­energetisches Metallion, das anschließend durch eine Kaskade von elektronischen Zerfalls­schritten in seinen ursprünglichen Zustand zurückkehrt. Bei einigen dieser Schritte wird Energie vom Metall­zentrum auf die Nachbar­moleküle übertragen – ein Vorgang, der als Interatomic Coulombic Decay (ICD) bezeichnet wird. Bei anderen Zerfall­schritten, dem sogenannten Electron Transfer Mediated Decay (ETMD), gehen Elektronen der benachbarten Moleküle auf das Metallion über.

Beide Prozesse sind nach den Worten von Cederbaum ultra­schnell und laufen auf einer Skala von Femto­sekunden ab. Sie lassen damit nur extrem wenig Zeit für die Bestimmung der genauen Molekular­struktur. Im Laufe der Zerfalls­kaskade geben mehrere Nachbar­moleküle sowohl durch ICD- als auch durch ETMD-Prozesse langsame Elektronen ab. Die Moleküle laden sich also positiv auf, was zu einem Auseinanderbrechen des Microclusters führt.

In einem größeren System, etwa einem Protein mit einem Metall­zentrum, würden die positiv geladenen Nachbar­moleküle und die langsamen Elektronen mit dem Biomolekül reagieren und weitere Sekundär­schäden anrichten, wie Cederbaum erläutert. Das Metall­zentrum wirkt somit wie eine Linse, die die Energie des Röntgen­lichts auf die unmittel­bare Umgebung fokussiert. Dadurch wird die umgebende chemische Struktur auf einer schnellen Zeitskala massiv verändert.

„Wir gehen davon aus, dass der von uns identifizierte Mechanismus eine wichtige Rolle für Strahlenschäden in biologischen Bausteinen mit Metall­atomen spielt, darunter vor allem Proteine und die DNA“, sagt Cederbaum. Die Wissenschaftler hoffen, mit diesen Erkenntnisse einen Beitrag zu leisten zur Entschlüsselung der komplizierten Prozesse, die Röntgenstrahlung in lebenden Organismen auslöst.

U. Heidelberg / DE

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