Blick unter die Haube komplexer Moleküle
Einzelne Atome dienen als Kontrastmittel für Rastertunnelmikroskope.
Rastertunnelmikroskope zählen zu den wichtigsten und am weitesten verbreiteten Werkzeugen, um Strukturen auf atomarer Ebene sichtbar zu machen. Bisher war es damit allerdings kaum möglich, bis ins Innere komplexer Moleküle vorzudringen. Jülicher Forscher haben jetzt eine weitere Hürde überwunden, um diese Beschränkung aufzuheben. Sie nutzen einzelne Atome zwischen Mikroskopspitze und Probe als eine Art Kontrastmittel, mit dem sich die innere Molekülstruktur und zwischenmolekulare Kräfte abbilden lassen.
Abb.: Ein einzelnes Molekül an der Spitze des Rastertunnelmikroskops verändert seine Lage entsprechend des abgetasteten Oberflächenprofils und beeinflusst dadurch die Leitfähigkeit und den Tunnelstrom. (Bild: FZ Jülich)
Biomoleküle, Proteine oder organische Halbleiter für zukünftige elektronische Bauteile - viele Stoffe im Fokus der Nanowissenschaften lassen sich bis jetzt kaum mit herkömmlichen Rastertunnelmikroskopen untersuchen. Die Jülicher Arbeitsgruppe um Ruslan Temirov und Stefan Tautz vom Peter Grünberg Institut forscht seit mehreren Jahren an Methoden, um die Möglichkeiten der Rastertunnelmikroskopie zu erweitern.
In ihrem Artikel beschreiben sie die Möglichkeit, verschiedene Atom- oder Molekülsorten als Signalwandler mit unterschiedlichen Eigenschaften einzusetzen. Die Atome haften dabei an der Spitze des Mikroskops. Durch kleine Lageverschiebungen reagieren sie extrem empfindlich auf die Kontur von Molekülen und beeinflussen dadurch den Tunnelstrom. Auf diese Weise gelingt es schon mit gewöhnlichen, industriell hergestellten Rastertunnelmikroskopen, Bilder von der Anordnung der Atome im Innern komplexer Moleküle anzufertigen und sogar zwischenmolekulare Kräfte wie Wasserstoffbrückenbindungen sichtbar zu machen.
Abb.: Die herkömmliche Aufnahme eines Rastertunnelmikroskops mit blanker Spitze (l.) und mit einem Xenon-Atom als Sensor (r.) im Vergleich: Nur die neue Methode zeigt die atomare Struktur des neben einer Lage Perylentetracarbonsäuredianhydrid (PTCDA) befindlichen Kupferphthalocyanin-Moleküls (CuPc). (Bild: FZ Jülich)
Bei den Jülicher Experimenten kamen Xenon, Kohlenmonoxid und Methan zum Einsatz, die sich unterschiedlich empfindlich verhalten und dadurch für verschiedene Reichweiten qualifizieren.
Auf dem Weg zum jetzt vorgestellten Verfahren konnten die Forscher bereits 2008 erste Bilder aus dem Innern komplexer organischer Moleküle veröffentlichen. Die Methode, einzelne Atome oder Moleküle als eine Art Signalwandler oder Sensor zwischen den Mikroskoptastkopf und die Probe zu bringen, ist mittlerweile zum Patent angemeldet. Als Sensor kamen ursprünglich Moleküle aus schwerem Wasserstoff zum Einsatz. Diese ließen sich allerdings nicht präzise dosieren. Wasserstoff ist sehr leicht beweglich, verhält sich daher ziemlich unruhig und ist im Rastertunnelmikroskop zudem praktisch unsichtbar.
Abb.: Mit Hilfe einzelner Atome als Kontrastmittel lassen sich auch schwache Bindungen zwischen Molekülen darstellen, wie diese Wasserstoffbrückenbindungen innerhalb einer Lage Perylentetracarbonsäuredianhydrid (PTCDA). (Bild: FZ Jülich)
Nachdem vor etwa einem Jahr die grundlegenden physikalischen Prinzipien geklärt wurden, auf denen die neue Technologie beruht, ist den Forschern jetzt der entscheidende Schritt hin zu einem breiten Anwendungsspektrum gelungen.
FZ Jülich / PH