19.06.2015

Blitze mit Laser-Fernsteuerung

Bessel- und Airy-Strahlen führen elektrische Entladungen um Hindernisse herum.

Blitze und andere elektrische Entladungen gelten als ebenso unvorhersehbar wie unkontrollierbar. Umso überraschender ist es, dass man einem in der Luft überspringenden Funken den Weg vorzeichnen und ihn sogar um ein Hindernis herumführen kann, wie ein internationales Forscherteam jetzt berichtet. Matteo Clerici von der Heriot-Watt University in Edinburgh und seine Kollegen haben mit Hilfe von speziell geformten Laserstrahlen erreicht, dass elektrische Entladungen in der Luft längs eines gewünschten Wegs abliefen, der auch gekrümmt sein konnte. Dabei sprangen die Funken auf überraschende und zum Teil bizarre Weise über.

Abb.: Ein von links kommender Lichtstrahl (bläuliche Line) passiert eine Elektrodenspitze (0 cm) und trifft auf ein Hindernis (1,5 cm), das ihn ausblendet. Bei 2,3 cm hat sich der Strahl selbst geheilt und setzt seinen Weg fort. In dem von ihm erzeugten Plasmakanal (0 – 1,5 cm und 2,3 – 5 cm) kommt es zur elektrischen Entladung. Im Zwischenbereich (1,5 – 2,3 cm), wo noch kein Lichtstrahl vorliegt, wählt die Entladung ihren Weg in zufälliger Weise. (Bild: M. Clerici et al.)

Die Entladungen fanden zwischen zwei Metallspitzen statt, die einen Abstand von fünf Zentimetern hatten und zwischen denen eine elektrische Hoch­spannung lag. Unter normalen Bedingungen wäre eine Spannung von etwa 170 kV dafür nötig gewesen, dass ein Funke überspringt. Doch die Forscher legten bei ihren Experimenten eine Spannung von nur 37 kV an, sodass zunächst keine Entladung stattfinden konnte.

Dann fokussierten sie im Raum zwischen den beiden Spitzen einen gepulsten Laserstrahl, der dort eine Breite von 10 mm hatte, wobei die 50 fs langen Laserpulse dicht an den Spitzen vorbeiliefen. Der Laserstrahl erhitzte und ionisierte die Luft lokal, sodass ein Plasmakanal mit reduzierter Teilchendichte entstand, der die Spitzen miteinander verband. Nun reichte die angelegte Spannung aus und es kam zu einer Entladung, die dem Weg des geringsten Widerstands folgte.

Für einen Laserstrahl, der in radialer Richtung ein gaußsches Intensitätsprofil hatte, nahm die Entladung nicht den kürzesten Weg zwischen den beiden Elektrodenspitzen, der durch den Strahlverlauf gegeben war. Vielmehr schlug sie um diesen Weg einen Zickzackkurs ein und verlief in unvorhersehbarer Weise, wie man es von Blitzen her kennt.

Kontrollierter verlief die Entladung, wenn ihr Weg von einem Bessel-Strahl gebahnt wurde. Diesen erzeugte Clerici, indem er den Laserstrahl einen flachen Glaskegel durchqueren ließ, ein Axicon. In diesem Fall zeichnete die Entladung eine schnurgerade Linie zwischen den beiden Elektrodenspitzen.

Die Entladung konnte auch auf einer gekrümmten Kurve verlaufen, die die Forscher mit einem Airy-Strahl bahnten. Diesen Lichtstrahl, der gewissermaßen um die Ecke ging, erzeugten sie, indem sie den Laserstrahl eine Maske passieren ließen, die sein Phasenprofil in spezieller Weise veränderte. Dadurch konnte der Airy-Strahl um ein Hindernis herumlaufen und auf diese Weise auch die elektrische Entladung um das Hindernis herumführen.

Bessel- und Airy-Strahlen haben eine bemerkenswerte Eigenschaft gemeinsam, die sich für die Führung von elektrischen Entladungen nutzen lässt: Sie sind „selbstheilend“. Wird der Strahl in seinem Zentrum durch ein lichtundurchlässiges Objekt an der Ausbreitung gehindert, so werden die übrigen Anteile des Strahls so gebeugt, dass sie hinter dem Objekt wieder einen vollständigen Strahl bilden, wenn auch mit verringerter Intensität.

So ließen die Forscher einen Bessel-Strahl auf ein lichtundurchlässiges und nichtleitendes Objekt treffen, das dessen Zentrum ausblendete. Etwa ein Zentimeter hinter diesem Hindernis hatte sich der Strahl selbst geheilt und war wieder deutlich sichtbar. Die elektrische Entladung folgte dem ursprünglichen Strahl von der ersten, positiven Elektrode bis zum Hindernis und anschließend dem selbstgeheilten Strahl bis zur zweiten, negativen Elektrode. Im Zwischenbereich direkt hinter dem Hindernis lag kein Lichtstrahl und somit auch kein Plasmakanal vor, sodass die Entladung hier ihren Weg selbst finden musste, was dem Zufall überlassen war: Der Entladungsfunke schlug hier von Laserpuls zu Laserpuls unterschiedliche Wege ein.

Dies galt in ähnlicher Weise auch für einen Airy-Strahl und die von ihm geführte Entladung, die auf halbem Wege auf ein Hindernis trafen. Wie der Bessel-Strahl war auch der Airy-Strahl selbstheilend, er nahm jedoch eine deutlich gekrümmte Bahn, der die Entladung eng folgte. Nur unmittelbar hinter dem Hindernis wählte der Funke wieder einen zufälligen Weg.

Umfangreiche Berechnungen, mit denen die Forscher die Lichtausbreitung, die Erzeugung des Plasmakanals und die Entstehung der elektrischen Entladung simulierten, haben ihre experimentellen Beobachtungen reproduziert. Dabei ergab sich unter anderem, dass die Luft im Plasmakanal auf 50.000 K erhitzt wird und sich die Entladung gleichzeitig von beiden Elektroden her aufbaut.

Die Beeinflussung von elektrischen Entladungen mit Licht eröffnet interessante Möglichkeiten. So können Entladungen auf vorgegebenen Wegen ablaufen, dabei die sonst typischen unregelmäßigen „blitzförmigen“ Trajektorien vermeiden, empfindlichen Objekten ausweichen oder sich hinter Hindernissen selbst heilen. Mit zwei schräg zueinander verlaufenden Bessel-Strahlen könnte man auch in weit entfernten Bereichen eine elektrische Bogenentladung auf Wunsch auslösen.

Rainer Scharf

OD

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