Carl-Ramsauer-Preis 2011 der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin
Doktorarbeiten zu Zweiphotonen-Photoemission an Silizium-Oberflächen und Terahertz-Spektroskopie werden unter anderem ausgezeichnet.
Christian Eickhoff und Wilhelm Kühn sind zwei der diesjährigen Preisträger des Carl-Ramsauer-Preises der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin (PGzB). Christian Eickhoff wird für seine Dissertation an der Freien Universität Berlin ausgezeichnet, Wilhelm Kühn promovierte an der Humboldt-Universität zu Berlin; die Arbeiten dazu führten die beiden Forscher am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) durch. Der Preis wird am 16. November 2011 an der Freien Universität, Fachbereich Physik, verliehen.
Der Carl-Ramsauer-Preis wird zu Ehren des berühmten Physikers und ersten Leiters des AEG Forschungsinstituts, dem Experimentalphysiker Carl Ramsauer (1879 - 1955), seit 2002 von der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin jährlich vergeben. Ausgezeichnet werden jeweils vier hervorragende Doktorarbeiten in Physik und angrenzenden Gebieten der Naturwissenschaften.
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Christian Eickhoff erhält den Preis für seine Dissertation mit dem Titel „Zeitaufgelöste Zweiphotonen-Photoemission an der Si(001)-Oberfläche: Dynamik heißer Elektronen und zweidimensionaler Fano-Effekt“. Er untersuchte die Si(100)-Oberfläche. Silizium ist der Grundbaustein der Halbleiterindustrie. Die voranschreitende Miniaturisierung und Effizienzsteigerung fordern ein grundlegendes Verständnis der elektronischen und dynamischen Eigenschaften der Ladungsträger an der Siliziumoberfläche.
Eickhoff konstruierte ein komplexes Experiment, bestehend aus einem Lasersystem mit weit abstimmbaren Photonenenergien und einer Ultrahochvakuumanlage mit zweidimensionaler (2D) Photoelektronendetektion. Mit einer Zeitauflösung von wenigen zehn Femtosekunden verfolgte er die Dynamik optisch angeregter Elektronen in den Oberflächenzuständen sowie im Leitungsband von Silizium und untersuchte den Einfluss elastischer und inelastischer Streuprozesse auf Energierelaxation und Oberflächenrekombination.
Dabei konnte er erklären, wie es durch die optische Anregung der Ladungsträger zu komplexen zweidimensionalen Interferenzphänomenen kommt, die durch Fano-Resonanzen im Anfangs- und Zwischenzustand beschrieben werden können. Zum anderen zeigte er in seiner Arbeit, warum die erhöhte Temperatur heißer Elektronen im Leitungsband über eine ungewöhnlich lange Zeitspanne von vielen Pikosekunden bestehen bleibt. Die Extraktion heißer Elektronen wird beispielsweise für die Effizienzsteigerung in Solarzellen der dritten Generation diskutiert.
Wilhelm Kühn hat in seiner Dissertation eine neue Methode der nichtlinearen Spektroskopie im Terahertz-Bereich entwickelt und in der Festkörperphysik eingesetzt. Die nichtlineare Wechselwirkung zwischen Licht und Materie wird dabei in zwei unabhängigen Zeitdimensionen gemessen, um daraus 2D-Spektren in der Frequenzdomäne abzuleiten. Diese Spektren geben Aufschluss über die Kopplung verschiedener Anregungen des untersuchten Systems und ihre zeitliche Entwicklung.
Terahertz-Wellen schwingen im Vergleich zu sichtbaren Licht sehr „langsam“, eine Schwingungsperiode dauert 250 Femtosekunden. Durch Fokussierung lassen sich hohe elektrische Felder von ca. 300 Kilovolt pro Zentrimeter erreichen und zur Beschleunigung von Ladungsträgern in Festkörpern einsetzen. Kühn konnte daher mit der neuen Methode die Transporteigenschaften von Elektronen im Halbleitermaterial Galliumarsenid (GaAs) untersuchen.
Dabei fand er, dass sich stark beschleunigte Elektronen nahezu reibungsfrei („ballistisch“) durch den Galliumarsenid-Kristall bewegen. Bei sehr hohen Bewegungsenergien werden sie jedoch abgebremst und sogar in die Gegenrichtung beschleunigt weil ihre effektive Masse negativ wird. Die resultierenden kreisenden Elektronenbewegungen, Blochoszillationen genannt, wurden so erstmals in einem Volumenkristall nachgewiesen.
Kühn hat im nächsten Schritt ein Halbleiter-Modellsystem mit einer überaus starken Kopplung der Elektronen an das Kristallgitter untersucht. Er konnte durch 2D-Spektroskopie zeigen, dass aus Elektronen und Gitterschwingungen ein neues Teilchen, das Polaron, entsteht. Seine Ergebnisse, die durch theoretische Berechnungen bestätigt wurden, zeigen außerdem, wie und in welche Kanäle die Energie des Elektrons in das Kristallgitter abfließt.
Die weiteren Preisträger sind Alexander Carmele von der TU Berlin, der für seine Arbeit zur „Theorie der stark gekoppelten Quantenpunkt-Resonator-Quantenelektrodynamik Photonstatistik und Phononsignaturen in der Quantenlichtemission“ ausgezeichnet wird, sowie Christian Wagner, der an der Universität Potsdam eine „Erforschung dunkler Energie unter Verwendung von kosmologischen Simulationen“ betrieb.
FV Berlin / PH