Dem Kern auf den Grund gegangen
Laserspektroskopie an Cadmium-Isotopen bestätigt Schalenmodell.
Magnetische Dipol- und elektrische Quadrupolmomente sind fundamentale Eigenschaften von Quantensystemen, die sich für anspruchsvolle Tests von Modellen besonders eignen. So führten verfügbare Daten kernmagnetischer Momente in den 1940er Jahren zur Entwicklung des Schalenmodells der Kernstruktur und später Kernquadrupolmomente zum Konzept deformierter Kerne.
Abb.: Das UV-Licht zur Anregung der Cadmium-Ionen wird durch zweimalige Frequenzverdopplung eines auf 860 Nanometer abgestimmten Titan:Saphir-Lasers erzeugt. (Bild: MPIK)
Die Natur stellt zwar einige hundert stabile Kerne zur Verfügung, aber diese verteilen sich über fast das gesamte Periodensystem. Besser geeignet für präzise Messungen sind viele unterschiedliche Isotope ein und desselben Elements. In modernen Beschleunigeranlagen können durch Beschuss schwerer Kerne mit Protonen ganze Serien von Isotopen künstlich hergestellt werden. Dabei ist es aber eine Herausforderung, das gewünschte Isotop aus den rund 1000 verschiedenen Bruchstücken herauszufischen.
An der ISOLDE-Anlage des CERN haben sich nun Physiker um Deyan Yordanov vom Max-Planck-Institut für Kernphysik einiger Tricks bedient: Mit hochenergetischen Protonen beschossen sie zunächst Wolfram, um mittel- und niedrigenergetische Neutronen in großer Zahl zu produzieren, und damit Urankerne zu spalten. Auf diese Weise entstanden ‚nur‘ einige hundert verschiedene, meist – wie gewünscht – neutronenreiche Kerne. Aus dieser Mischung verschiedener Elemente haben die Wissenschaftler die flüchtigen Cadmium-Atome bei kontrollierter Temperatur über ein Quarzrohr selektiv abgedampft und zum Experiment geführt, während die restlichen Nuklide am Target zurückblieben und dort zerfielen.
Abb.: Die Quadrupolmomente (Q; mb = millibarn = 10-27 cm2) von Cadmium-Isotopen mit ungerader Neutronenzahl im Kernzustand mit Spin 11/2 steigen linear an. (Bild: MPIK)
Die Cadmium-Atome wurden anschließend mit einem Laser ionisiert, beschleunigt und nach ihrer Masse getrennt. Der aus jeweils nur einem Isotop bestehende Ionenstrahl wurde in eine sogenannte Paulfalle injiziert, kurz gespeichert und dann als komprimiertes Bündel emittiert. Damit unterdrückten die Forscher den Untergrund und erhöhten die Empfindlichkeit der folgenden Messungen mittels hochauflösender Laserspektroskopie. Bei der Anregung der Cadmium-Ionen im tiefen UV kam ein frequenzvervierfachter Titan:Saphir-Laser zum Einsatz. Die Spektren zeigten für jedes Isotop eine charakteristische Hyperfeinstruktur, aus der sich die Kerndipol- und Quadrupolmomente sowie der quantenmechanische Kernzustand bestimmen ließen.
Bemerkenswerterweise nehmen die Quadrupolmomente der Cadmium-Isotope 111 bis 129 mit ungerader Massen- und damit auch Neutronenzahl in einem bestimmten Kernzustand linear mit der Neutronenzahl zu. Dieser Kernzustand kann im quantenmechanischen Schalenmodell der Kernstruktur als ein ungepaartes Neutron in einem Orbital mit hohem Bahndrehimpuls betrachtet werden. Und dieses ungepaarte Neutron verhält sich in allen Kernen gleichartig. Ein derartiges Verhalten war theoretisch vorhergesagt, allerdings nur für Kerne, in denen entweder die Neutronen oder die Protonen eine abgeschlossene Schale bilden. In den verschiedenen Cadmium-Isotopen, deren Schalen alle nicht abgeschlossen sind, ist diese einfache Konfiguration aber offensichtlich erhalten. Somit bestätigen die Ergebnisse das Schalenmodell und das Konzept der Paarung von Protonen und Neutronen, das für eine einfache und gleichbleibende Struktur in einer langen Reihe von Isotopen sorgt.
MPIK / PH