Der nächste Einschlag kommt bestimmt
Projekt Neoshield: Asteroidenabwehr mit System – internationale Kooperation unter Leitung des DLR nimmt Arbeit auf.
Wann genau der letzte große Einschlag eines Asteroiden auf der Erde geschah, ist nicht klar. Einschlagskrater aber gibt es viele, zum Beispiel das Nördlinger Ries in Bayern. Dass in Zukunft weitere Kollisionen folgen werden, dessen ist sich Alan Harris, Asteroidenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), sicher. In den nächsten dreieinhalb Jahren leitet er die gerade gegründete internationale Kooperation Neoshield – insgesamt 13 Partner aus Forschung und Industrie untersuchen gemeinsam, wie sich Einschläge von Asteroiden und Kometen verhindern lassen. Sie gehen unter anderem den Möglichkeiten nach, Asteroiden durch den Einschlag einer Raumsonde von ihrer bedrohlichen Bahn abzubringen. Die EU unterstützt das Projekt mit vier Millionen Euro. Weitere 1,8 Millionen steuern die beteiligten Partner bei.
Abb.: Der Barringer-Krater in Arizona hat einen Durchmesser von 1200 Metern und wurde von einem 50-Meter-Asteroiden verursacht. (Bild: DLR / Stefan Seip)
Wenn Asteroiden sich der Erde nähern, tun sie dies mit einer Geschwindigkeit von typischerweise fünf bis 30 Kilometern in der Sekunde. „Um ihre Umlaufbahn zu ändern und eine Kollision mit der Erde zu verhindern, muss man eine Kraft auf sie ausüben“, sagt Asteroidenforscher Harris. „Und zwar rechtzeitig.“ Wie es aussieht, wenn Asteroiden ihrem ursprünglichen Lauf in Richtung Erde folgen, zeigt beispielsweise heute noch der Barringer-Krater in Arizona mit einem Durchmesser von 1200 Metern oder die Tunguska-Region in Sibirien, in der 1908 die Explosion eines Asteroiden Millionen von Bäumen entwurzelte. Schäden, die auch bereits durch kleinere Asteroiden oder Kometen verursacht werden können. „Der Krater in Arizona wurde von einem Objekt mit einem Durchmesser von etwa fünzig Metern verursacht.“ Solche der Erde nahen Objekte, Neos, Near Earth Objects, gibt es viele. Tausende von ihnen wurden in den letzten zwanzig Jahren entdeckt. „Eine gefährliche Kollision mit der Erde ist dabei etwa alle paar hundert Jahre wahrscheinlich“, schätzt der Asteroidenforscher.
Voraussetzung für die Erforschung möglicher Methoden, mit denen eine Asteroideneinschlag auf der Erde verhindert werden kann: Die Forscher müssen die physikalischen Eigenschaften der Neos genau kennen. „Wir wollen möglichst viel über unseren Feind herausfinden, der Kurs auf die Erde nehmen könnte“, sagt Harris. Die Planetenforscher des DLR bringen deshalb ihre Kenntnisse über die Zusammensetzung, Struktur und die Oberflächenbeschaffenheit von Asteroiden und Kometen in das internationale Projekt ein. Zudem analysiert das Team um Projektleiter Harris die Beobachtungsdaten der vergangenen zwei Jahrzehnte: „Die Daten wurden bisher noch nicht genügend aus der Sicht der Asteroidenabwehr untersucht.“ Bisher wurden über 8000 NEOs entdeckt, jeden Monat kommen siebzig weitere hinzu. Am Ende des Projekts soll Klarheit über viele Fragen herrschen – so wollen die Asteroidenforscher unter anderem festlegen, wie bedrohliche Asteroiden in Zukunft vom Boden aus beobachtet werden können und mit welchen Missionen im Weltall die Eigenschaften festgestellt werden können. Abhängig von der Zeit, die zwischen Entdeckung und möglichem Eintritt in die Erdatmosphäre liegt, und der Größe des Asteroiden könnten dann verschiedene Methoden zum Einsatz kommen, die die Wissenschaftler im Detail erforschen wollen.
Eine Methode, die das Neoshield-Konsortium näher untersucht, ist der Einsatz einer Raumsonde, die durch ihren Einschlag auf dem Asteroiden diesen von seiner Bahn abbringt. „Das ist meiner Meinung nach eine sehr realistische Methode.“ Allerdings seien bei dieser Methode noch viele offene Fragen zu klären. Wie muss die Steuerung dieser Raumsonde ausgelegt sein, damit sie ihr Ziel sicher und im korrekten Winkel trifft? Wie kann der Effekt vermindert werden, den die Bewegungen des Treibstoffs in der Raumsonde auf deren Einschlag haben? In Laborexperimenten soll zudem mit Projekten auf Materialien geschossen werden, die denen eines Asteroiden entsprechen. Damit können die Wissenschaftler wiederum Rückschlüsse auf das Verhalten der Asteroiden bei solch einer Kollision ziehen.
Wird ein Asteroid, der Kurs auf die Erde nimmt, bereits Jahre vor einer möglichen Kollision entdeckt, könnte eine andere Methode in Frage kommen, die sich die Anziehungskraft einer Raumsonde zunutze macht: Lenkt man eine Raumsonde in die direkte Nähe zu einem potenziell gefährlichen Neo, könnte sich ihre Gravitation auf den Asteroiden auswirken und ihn – wie von einem Seil gezogen – von seiner ursprünglichen Flugbahn ablenken. Allerdings würde es einen Zeitraum von mehreren Jahren in Anspruch nehmen, bis man eine signifikante Veränderung der Umlaufbahn erreicht hat. „Bisher existiert diese Methode nur auf dem Papier, aber sie könnte funktionieren.“ Die Forschung in den nächsten dreieinhalb Jahren soll zeigen, wie realistisch es ist, bedrohlichen Asteroiden mit der Schwerkraft aus der Spur zu bringen.
Abb.: Asteroiden nähern sich der Erde mit einer Geschwindigkeit von typischerweise fünf bis dreißig Kilometern in der Sekunde. Tausende der erdnahen Objekte wurden in den vergangenen 20 Jahren entdeckt. (Bild: Nasa, JPL / Caltech)
Aber wenn die Zeit drängt, kommt für Alan Harris nur eine alternative Methode in Betracht: „Würde man ein sehr großes gefährliches Objekt mit einem Durchmesser von einem Kilometer oder mehr entdecken, würden die beiden anderen Methoden das Problem wahrscheinlich nicht mehr lösen“, erklärt Harris. „Die größte Kraft, die man dann einsetzen könnte, um den Asteroiden aus seiner Bahn zu lenken, wäre eine nukleare Explosion.“ Eine Lösung, die die Wissenschaftler in ihrem Projekt zwar untersuchen wollen – allerdings ohne eine konkrete Mission dafür zu planen. Wissen will man dennoch, welche Auswirkung eine Explosion in unmittelbarer Nähe eines Asteroiden oder auf seiner Oberfläche im luftleeren Weltraum hätte. „Diese Möglichkeit wird aber sehr kontrovers gesehen.“
Die Daten aus Asteroidenbeobachtungen sowie die Ergebnisse der Laborexperimente, hochgerechnet auf einen realistischen Maßstab, werden kontinuierlich in Computersimulationen einfließen. Am Ende der dreieinhalb Jahre sollen jedoch nicht nur Kenntnisse über Asteroiden und eine mögliche Abwehr vorliegen. „Wir planen auch internationale Raumfahrt-Missionen, mit denen man in einigen Jahren die erforschten Abwehrmethoden testen könnte.“ Dafür sollen aus der Menge der bekannten Asteroiden diejenigen ausgewählt werden, die sich für eine Demo-Mission am besten eignen. Außerdem soll dann auch eine Art Fahrplan vorliegen, der bei einer Bedrohung der Erde durch eine Asteroidenkollision in Aktion treten soll. Ausgerichtet wäre dieser auf realistische Ereignisse wie die Ankunft von Asteroid Apophis – der kommt bereits 2029 auf seiner Umlaufbahn der Erde gefährlich nahe.
DLR / OD