Doktortitel ade
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bestätigt, dass die Universität Konstanz dem Physiker Jan Hendrik Schön den Doktortitel zurecht entzogen hat.
Die unendliche Geschichte um den bald zehn Jahre zurückliegenden Fälschungsskandal um den Physiker Jan Hendrik Schön geht in die nächste Runde: Nachdem die Universität dem einstigen „Shooting Star“ im Jahr 2004 den Doktortitel entzogen, das Verwaltungsgericht Freiburg im vergangenen Jahr für diesen Schritt aber keine ausreichende Rechtslage gesehen hatte, gab der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim der Universität gestern Recht. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob es rechtens ist, den Doktorgrad wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens nach der Promotion zu entziehen. Das baden-württembergische Landeshochschulgesetz sieht diese Möglichkeit vor, „wenn sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat.“
Der Höhenflug des deutschen Physikers, der Anfang der 2000er-Jahre bei den Bell Labs quasi im Wochenrhythmus mit vermeintlich spektakulären Resultaten aus der organischen Festkörperphysik überraschte, kam jäh zum Ende mit der Erkenntnis, dass Schön über Jahre systematisch Daten erfunden und gefälscht hatte. Eine von den Bell Labs eingesetzte Kommission wies im Herbst 2002 im Detail wissenschaftliches Fehlverhalten bei 16 Publikationen in den angesehensten Fachzeitschriften nach. Schön hatte demnach ganze Abbildungen mehrfach in verschiedenen Zusammenhängen verwendet, Messkurven für verschiedene Parameter durch Skalieren generiert oder gleich durch analytisch berechnete Kurven.
Unmittelbar nach der Bestätigung der Fälschungen setzte auch die Universität Konstanz eine Kommission ein, um zu klären, ob Schön bereits in seiner 1998 in Konstanz abgeschlossenen Dissertation und daraus hervorgegangenen Veröffentlichungen gefälscht hatte. Die Kommission kam im Sommer 2003 zu dem Schluss, dass zwar „handwerkliche Fehler“ vorlagen, dass ihm aber keine bewusste Datenmanipulation nachzuweisen war. Dennoch entzog die Universität ein weiteres Jahr später Schön den Doktortitel aufgrund des Fehlverhaltens bei den Bell Labs.
Die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer begrüßte die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs: „Das Mannheimer Urteil stärkt das Vertrauen in die Wissenschaft. Es unterstreicht die Bedeutung wissenschaftlicher Redlichkeit und stellt fest, dass wissenschaftliches Fehlverhalten schwerwiegende Folgen haben kann“. Eine Revision ließ der Verwaltungsgerichtshof nicht zu. Ob damit aber wirklich ein Schlusspunkt unter den Forschungsskandal gesetzt ist, bleibt abzuwarten, denn Schöns Anwalt kündigte an, eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und eine Verfassungsbeschwerde zu prüfen.
Stefan Jorda
Weitere Infos
- Schön bleibt Doktor
- S. Jorda: Doktor? No!, Physik Journal, Dezember 2009, S. 11 (PDF)
- S. Jorda: Doktortitel ade, Physik Journal, Juli 2004, S. 8 (PDF)
- S. Jorda: Geschlampt, nicht gefälscht, Physik Journal, September 2003, S. 6 (PDF)
- S. Jorda: Fälschungsaffäre: Zu schön, um wahr zu sein, Physik Journal, November 2002, S. 7 (PDF)
- S. Großmann & H.-H. Trute: Autorschaft – nicht nur Recht, sondern auch Verantwortung, Physik Journal, Februar 2003, S. 4 (PDF)