Dynamische Interaktion von mehreren Proteinen
Fluoreszenzbasierten Einzelmolekül-Methoden liefern Einblicke in komplexe biologische Maschinen.
In lebenden Organismen arbeiten viele Proteine Hand in Hand, um die vielschichtigen zellulären Aufgaben zu erfüllen. Die Wechselwirkung von zwei Proteinen ist relativ gut erforscht, auch wenn die Interaktion dynamisch ist, es sich also um vorübergehende und möglicherweise sehr schnell ablaufende Vorgänge handelt. Bei den meisten zellulären Prozessen interagieren aber drei oder mehr Proteine dynamisch. Forscher, die diese Vorgänge erfassen wollen, kommen mit Standardmethoden schnell an ihre Grenzen. Thorsten Hugel und sein Team an der Uni Freiburg will nun mit neuen fluoreszenzbasierten Einzelmolekül-Methoden die dynamische Interaktion von mehreren Proteinen am Beispiel des Hitzeschockproteins Hsp90 genauer untersuchen. Für die nächsten fünf Jahre erhält der Physikochemiker für sein Projekt „Multi-protein interaction kinetics by single molecule methods“, kurz PROSINT, eine Förderung des Europäischen Forschungsrates in Höhe von knapp 1,9 Millionen Euro.
Abb.: Thorsten Hugel (Bild: T. Kunz).
Das Hitzeschockprotein Hsp90 kommt in menschlichen Zellen häufig vor, es ist von zentraler Bedeutung, da es viele grundlegende Prozesse entscheidend steuert. Unter anderem ist es maßgeblich daran beteiligt, dass einfache Aminosäure-Ketten zu funktionierenden Proteinen mit einer genau definierten Struktur gefaltet werden. Wie viele andere Proteine macht Hsp90 dies nicht alleine, sondern in direkter Zusammenarbeit mit zahlreichen weiteren Proteinen. Außerdem verwendet Hsp90, ebenfalls wie viele andere Proteine, Energie aus der Spaltung von ATP, dem wichtigsten Energieträger in menschlichen Zellen. Wie diese Energie im Hsp90-Multi-Protein-System genutzt wird, ist weitgehend unbekannt.
Bekannt ist, dass Hsp90 nicht in einem energetischen Gleichgewicht arbeitet. Die Untersuchung solcher Nicht-Gleichgewichtssysteme steckt noch in den Kinderschuhen, obwohl erst durch sie Leben überhaupt möglich ist – Gleichgewicht entspricht dem Zustand geringster Energie beziehungsweise dem Tod. Im Projekt PROSINT entwickeln Hugel und seine Mitarbeiter neue Einzelmolekül-Methoden und Datenanalysen, um die physikalisch-chemischen Vorgänge und die Struktur von Multi-Protein-Systemen außerhalb des Gleichgewichts detailliert zu untersuchen.
Abb.: Einzelmolekül-Methode zur Untersuchung des Hitzeschockproteins Hsp90. (Bild: U. Freiburg)
Ziel des Vorhabens ist ein besseres Verständnis dafür, wie die Energie aus der ATP-Spaltung zur Faltung von Proteinen, zur Ansammlung von Proteinen oder zur Zerlegung von Proteinaggregaten genutzt wird. Zudem könnten die Forscher lernen, wie es möglich ist, dass ein System aus vielen Proteinen mehr als die Summe seiner Einzelteile ist. Schließlich sind die Experimente auch für die Pharmaforschung wichtig, da Hsp90 als vielversprechendes Zielprotein für Krebstherapien gilt.
ALU / RK