17.04.2015

Ein Flipper für Atome und Photonen

Kombination von Nano-Photonik mit ultrakalten Atomen ermöglicht Simulation von Quanten-Vielteilchensystemen.

Ultrakalte Atome in optischen Gittern sind vielversprechende Werkzeuge für die Simulation und das Verständnis von Vielteilchensystemen wie etwa Festkörperkristallen. Optische Gitter im freien Raum lassen aber nur atomare Abstände von mindestens rund 400 Nanometern und Wechselwirkungen mit kurzer Reichweite zu. Um diesen Einschränkungen zu entgehen, hat jetzt ein Team um Ignacio Cirac vom MPI für Quantenoptik und Jeff Kimble vom Caltech ein neues Konzept entwickelt, das die Vorteile der Physik ultrakalter Atome und der Nano-Photonik verbindet. Damit sollten sich, so die Vorhersage, zehnmal kleinere Gitterkonstanten und Wechselwirkungen mit größerer Reichweite realisieren lassen. Die Forscher untersuchen dabei die Möglichkeiten, mit Hilfe photonischer Kristalle – also dielektrischer Materialien mit Nano-Strukturen –, Atome dichter aneinander zu bringen und über geführte Lichtmoden in Wechselwirkung treten zu lassen. Als Folge davon werden die Energieskalen des Systems sowie die Reichweiten der Wechselwirkungen größer, was die Erforschung neuer Formen von Quantenvielteilchenmaterie erlaubt.

Abb: Anschauliche Darstellung eines dielektrischen nano-photonischen Gitters, mit dem Atome eingefangen und miteinander zur Wechselwirkung gebracht werden können. (Bild: MPQ)

Die Grundidee des Vorschlags besteht darin, den Brechungsindex einer dielektrischen Schicht periodisch zu modulieren, indem in einem gitterartigen Muster entweder kleine Löcher in die Schicht hineingebohrt oder kleine Stifte auf deren Oberfläche angebracht werden. Die Wissenschaftler zeigen, wie sich durch eine Kombination von optischen Kräften und Vakuumfeldern Gitter mit atomaren Abständen von etwa 50 Nanometern, also rund zehnmal kleiner als bei optischen Gittern, erzeugen lassen.

„Damit können wir im Prinzip die gleichen Vielteilchen-Phänomene untersuchen wie mit den optischen Gittern, die im Vakuum durch Licht erzeugt werden“, erklärt Alejandro González-Tudela vom MPQ. „Der entscheidende Unterschied und Vorteil unseres Vorschlags liegt darin, dass die Atome viel dichter aneinander sitzen. So erzielen wir höhere Tunnelraten und Wechselwirkungs-Energien für die Simulation von Quanten-Vielteilchen­systemen. Und das bedeutet, dass wir die hohen Anforderungen an die Kühlung von Atomen ein wenig lockern können.“

Zudem erlaubt die Geometrie der dünnen dielektrischen Schicht, das einfallende Licht einzufangen und zu führen. Wenn nun ein einlaufendes Photon auf ein eingefangenes Atom trifft, hat es mit ihm starke Wechsel­wirkung und prallt von ihm ab. Aber es fliegt anschließend nicht in den freien Raum, sondern bleibt im Wellenleiter, bis es auf das nächste Atom trifft und mit ihm wechselwirkt, und so geht es immer weiter.

„Unsere Analyse zeigt, dass wir auf diese Weise Wechselwirkungen zwischen den Atomen erhalten, die nicht – wie bei den optischen Gittern im freien Raum – durch Hüpfen, sondern durch den direkten Austausch von Photonen zustande kommen“, so González-Tudela. „Das Ergebnis ist ein zwei­dimensionaler Festkörper, in dem die Atome nicht durch Gitterschwingungen, wie in gewöhnlicher Materie, sondern durch Photonen zusammen gehalten werden. Damit bekommen wir eine neue Qualität der Licht-Materie-Wechselwirkung, mit der Möglichkeit, die Stärke und Reichweite der Wechselwirkungen gezielt zu formen und einzustellen.“ Damit erhielten die Forscher dann Zugang zu einer Vielzahl von Phänomenen, wie etwa dem Quantenmagnetismus oder der Spin-Spin-Wechselwirkung über den Austausch von Photonen.

MPQ / RK

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