Ein Grundschullehrer mit Nobelpreis
Im neuen Rätsel von Physik in unserer Zeit geht es um einen Entdecker der grundlegenden Eigenschaften von Gasen, als die Existenz von Atomen noch umstritten war. Wir verlosen drei Bücher.
Im Alter von nur 14 Jahren geht er als Lehreranwärter an eine Grundschule. Zu diesem Zeitpunkt hat er alle Schulausbildungen abgeschlossen, die sein Vater, ein ärmlicher Zimmermann, zu finanzieren imstande ist. Der Besuch einer Universität kommt aus Geldmangel nicht infrage. Seinen Job macht er aber so gut, dass er schon mit 24 Jahren zum Direktor einer Grundschule ernannt wird.
Vier Jahre später ereignet sich für ihn ein Glücksfall: Man beschließt die Einführung „höherer Bürgerschulen“. Schon zwei Jahre darauf ist er Lehrer an einer neuen Sekundarschule, wenig später leitet er eine. Parallel stillt er seinen Wissensdurst an einer Universität: Er studiert Mathematik und Physik, ohne allerdings Abschlussprüfungen absolvieren zu dürfen, weil ihm die nötigen Kenntnisse in Latein und Griechisch fehlen.
Da ereignet sich ein zweiter Glücksfall: Die Prüfungsordnungen werden entschlackt, Kenntnisse in alten Sprachen gestrichen. Prompt meldet sich der Gesuchte zu den Prüfungen an und setzt sich anschließend – immer noch im Hauptberuf Lehrer an einer Sekundarschule – an seine Doktorarbeit „over de continuïteit van de gas-envloeistoftoestand“. Es soll eine der meistzitierten Arbeiten der Physik werden, eine der Wurzeln der modernen Molekularphysik und Thermodynamik.
Ursprünglich hatte ihr Autor nur die Kräfte in Kapillaren im Blick, doch dann ergibt sich aus seinen Annahmen eine berühmte Zustandsgleichung für Gase und Flüssigkeiten. Grundlage ist die Vermutung des Gesuchten, dass es Moleküle mit endlichem Volumen gibt, zwischen denen Anziehungskräfte herrschen (die heute seinen Namen tragen und zum Beispiel Post-it-Aufkleber und Geckos an Wänden haften lassen). Die heutigen Binsenweisheiten sind seinerzeit noch höchst umstrittene Mutmaßungen.
Dank einiger Übersetzungen ins Englische und Deutsche findet seine Doktorarbeit allmählich die internationale Anerkennung, die ihr gebührt. Mit 40 Jahren erhält er dann auch an einer jungen Hochschule in Amsterdam eine Universitätsprofessur.
Im hohen Alter ehrt ihn die Schwedische Akademie schließlich für seine Arbeit zur Theorie von Gasen und Flüssigkeiten mit dem Physik-Nobelpreis. Seine Dankesrede schließt er fast trotzig: „Ich möchte klar betonen, dass ich in all meinen Studien von Anfang an ziemlich überzeugt war von der realen Existenz der Moleküle und sie nie als Produkte meiner Einbildungskraft betrachtet habe.“
Andreas Loos, FU Berlin
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