26.07.2011

Ein Pionier der Strahlenbiologie

100. Geburtstag des Physikers und Strahlenbiologen Karl Günther Zimmer

Die Molekulargenetik verdankt ihre Entstehung den Arbeiten von Physikern, die ab den 1930er-Jahren über den Tellerrand ihres eigenen Faches schauten. Zu diesen Pionieren gehört der Physiker und Strahlenbiologe Karl Günther Zimmer (1911 bis 1988), dessen Geburtstag sich am 12. Juli zum hundertsten Male jährte. Mit dem Physiker und späteren Nobelpreisträger Max Delbrück (1906 – 1981), und dem russischen Genetiker Nikolaj V. Timoféeff-Ressovsky (1900 bis 1981) veröffentlichte Zimmer im Juni 1935 die Arbeit „Über die Natur der Genmutation und Genstruktur“. Diese Veröffentlichung hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der frühen Molekulargenetik. Sie wurde als „grünes Pamphlet“ (wegen des grünen Einbands) oder als „Dreimännerarbeit der Genetik“ bekannt, in Anspielung auf die Dreimännerarbeit von Born, Jordan und Heisenberg aus dem Jahre 1925, welche die moderne Quantenmechanik entscheidend prägte. Darüber hinaus veröffentlichte Zimmer in Berlin-Buch und später in Karlsruhe und Heidelberg weitere wegweisende Arbeiten. Er galt zu seiner Zeit weltweit als einer der bedeutendsten Forscher auf dem Gebiet der Strahlenbiologie.

Professor Karl Günther Zimmer 1971 in seinem Arbeitszimmer in Karlsruhe. (Foto mit freundlicher Genehmigung des ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe, dem jetzigen Karlsruher Institut für Technologie, KIT)



Zudem war er einer der Begründer und Protagonisten der quantitativen Strahlenbiologie. Besondere Verdienste erwarb er sich bei der genauen Messung von Strahlendosen (Strahlendosimetrie). Seine wissenschaftlichen Arbeiten haben wesentlich zum heutigen Wissen über die biologische Wirkung energiereicher Strahlen beigetragen. Auch war er einer der ersten, der auf die Gefahren radioaktiver Strahlung für den Menschen hingewiesen und einen wirksamen Strahlenschutz gefordert hat.
Karl Zimmer wurde in Breslau geboren. 1917 zog die Familie nach Berlin. Von 1929 bis 1933 studierte er dort Physik, Chemie und Philosophie und begann bereits ab 1933 mit Timoféeff-Ressovsky zusammenzuarbeiten. Zimmer war später in dessen genetischer Abteilung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin-Buch tätig, ab 1937 als fest angestellter Wissenschaftler. Zuvor war Zimmer nach seiner Promotion 1934 für einige Monate an die Universität von Aberdeen, Schottland gegangen und hatte vor dem Krieg auch in den Niederlanden, England und Schweden gearbeitet. Aus Schottland nach Deutschland zurückgekehrt, arbeitete er als zunächst als einziger Physiker im Cecilienhaus Berlin-Charlottenburg, der damals größten radiologischen Klinik Berlins. Zeitweise war er auch Mitarbeiter der Auer-Gesellschaft, die unter anderem Strahlenpräparate für die Medizin herstellte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Zimmer, ebenso wie Timoféeff-Ressovsky und andere Wissenschaftler, in die Sowjetunion verschleppt, um im sowjetischen Atomprogramm mitzuarbeiten. Erst 1955 konnte Zimmer mit seiner Frau nach Deutschland zurückkehren. Er wurde Leiter des Instituts für Strahlenbiologie an der 1956 gegründeten Kernreaktorbau- und Betriebsgesellschaft mbH, dem späteren Kernforschungszentrum Karlsruhe und heutigen Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das wie das MDC zur Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren gehört. Außerdem war Zimmer von 1957 bis 1979 ordentlicher Professor für Strahlenbiologie an der Universität Heidelberg. Auch in dieser Zeit entstanden weitere bedeutende Arbeiten, darunter zur Wirkung von Strahlen auf Struktur und Funktion der DNA und zu anderen Themen der molekularen Strahlenbiologie. Lange Jahre haben Schüler von Zimmer Lehrstühle an einer Reihe deutscher Universitäten innegehabt. Karl Günther Zimmer starb am 29. Februar 1988 in Karlsruhe. Während Max Delbrück und Nikolaj V. Timoféeff-Ressovsky später Berühmtheit erlangten – Delbrück ist Namensgeber des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch – blieb Karl Günther Zimmer eher im Hintergrund. Doch er gehört zu der ersten Generation von Physikern, welche die Biologie nachhaltig veränderten. (MDC/AP)

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