08.09.2014

Ein Prisma für Wasser

Elektrisches Feld sortiert Wassermoleküle nach ihrem Kernspin.

Mit Hilfe eines elektrischen Prismas ist es Forscher am Center for Free-Electron Laser Science CFEL gelungen, Wassermoleküle nach ihrem Kernspin zu sortieren. Da Wasser von fundamentaler Bedeutung im Universum ist, ist die Arbeit für viele Forschungsgebiete von der Biologie bis zur Astrophysik nützlich. CFEL ist eine Kooperation von DESY, Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft.

Abb.: Um Para- und Ortho-Wasser zu trennen, schicken die Forscher einen ultrakalten, überschallschnellen und sehr dünnen Wasserstrahl durch ein elektrisches Feld (blauer Aufbau links), das wie ein elektrisches Prisma auf die Moleküle wirkt und sie nach ihren Kernspinzustände trennt (rechts, Bild: CFEL / DESY).

Auf den ersten Blick ist Wasser ein einfaches Molekül, in dem ein einzelnes Sauerstoffatom an zwei Wasserstoffatome gebunden ist. Der Kernspin macht die Situation komplexer. Der Spin ist eine grundlegende Eigenschaft, die einer Art Eigenrotation des Atomkerns entspricht. Der Kernspin eines einzelnen Wasserstoff-Atomkerns kann dabei nur zwei Zustände annehmen, „up“ und „down“, entsprechend einer Rotation im und gegen den Uhrzeigersinn.

Die beiden Wasserstoff-Atomkerne in einem Wassermolekül können entweder denselben oder den entgegengesetzten Spin besitzen. Haben die Spins dieselbe Orientierung, spricht man von Ortho-Wasser, sind sie entgegengesetzt, von Para-Wasser. Ohne äußere Einflüsse verbieten grundlegende Symmetrieregeln die Umwandlung von Para- in Ortho-Wasser und umgekehrt. „Hätte man eine magische Flasche mit isolierten Para- und Ortho-Molekülen, würden diese für immer in ihrem Spin-Zustand bleiben“, erläutert Projektleiter Jochen Küpper vom DESY. „Sie sind im Prinzip unterschiedliche Molekülarten, unterschiedliche Sorten Wasser.“

In der realen Welt sind Wassermoleküle allerdings nicht isoliert, sondern stoßen ständig mit anderen Molekülen und Oberflächen in ihrer Umgebung zusammen, wodurch sich ihre Kernspins ändern können. „Durch diese Wechselwirkungen können sich Para- und Ortho-Wasser tatsächlich leicht ineinander umwandeln“, so Küpper. „Es ist daher eine große Herausforderung, sie zu trennen und Wasser zu produzieren, das nicht eine Mischung beider Sorten ist.“

Die CFEL-Forscher haben jetzt ein Verfahren für die Sortierung in Para- und Ortho-Wasser entwickelt. Die Wissenschaftler befüllen dazu eine Edelgas-Hochdruckkammer mit einem Tropfen Wasser. Das Edelgas-Wasser-Gemisch schießt dann durch ein gepulstes Ventil in eine Vakuumkammer. Durch den großen Druckunterschied dehnt sich das Gas im Vakuum sehr schnell aus, wenn sich das Ventil öffnet. Es reißt Wassermoleküle mit sich und kühlt sie dabei stark ab. Dadurch entsteht ein gebündelter Strahl ultrakalter Wassermoleküle, die mit Überschallgeschwindigkeit durch die Kammer fliegen und so verdünnt sind, dass einzelne Moleküle nicht mehr miteinander kollidieren. Es kann also nicht mehr zu einer Umwandlung der Spinzustände kommen.

Den gebündelten Molekülstrahl schicken die Forscher dann durch ein starkes elektrisches Feld, das die Wassermoleküle von ihrer ursprünglichen Flugbahn ablenkt und wie ein Prisma für Kernspinzustände funktioniert. Das elektrische Feld lenkt Para- und Ortho-Wasser unterschiedlich ab, das ermöglicht ihre räumliche Trennung und die Erzeugung reiner Para- und Ortho-Proben. Die spektroskopische Untersuchung zeigte eine Reinheit der Proben von rund 74 Prozent für Para-Wasser und mehr als 97 Prozent für Ortho-Wasser. Vor allem für Para-Wasser lassen sich diese Werte noch deutlich verbessern, wie die Forscher betonen.

Die Methode könnte für Untersuchungen einer ganzen Reihe von Phänomenen nützlich sein. So hängt das Verhältnis von Ortho- zu Para-Wasserstoff von der Temperatur ab: Bei Raumtemperatur beträgt es drei zu eins und fällt mit der Temperatur. Astrophysiker gehen davon aus, dass diese Abhängigkeit auch in interstellarem Eis gilt. Tatsächlich weicht das Verhältnis in bestimmten Regionen des Universums jedoch deutlich von der Erwartung ab. Die genauen Gründe dafür sind unbekannt, Laborexperimente könnten dazu neue Einblicke liefern.

In der Biologie könnte die Studie dabei helfen, die Strukturbestimmung von Proteinen zu verbessern. So rekonstruieren Forscher unter anderem mit Hilfe der Kernspinresonanz-Spektroskopie die Proteinstruktur anhand der Orientierung der Kernspins von Wasserstoff und anderen Atomen. Mit Para-Wasserstoff lässt sich die Empfindlichkeit der NMR-Methode erhöhen. Die Anreicherung von Para-Wasser in der Wasserhülle eines Proteins könnte daher ein lohnender Ansatz sein, um die NMR-Spektroskopie biologischer Systeme zu verbessern.

DESY / RK

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