Elektronik auf Papier
Papier kann als leichtes und faltbares Rohmaterial dienen, um kostengünstig und einfach elektrisch leitende Strukturen zu erzeugen.
Papier wird zum Hightech-Werkstoff: Forscher des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm haben gezielt leitfähige Strukturen in Papier erzeugt, und zwar auf sehr einfache Weise: Mit einem herkömmlichen Tintenstrahldrucker druckten sie einen Katalysator auf einen Papierbogen und erhitzten das Blatt anschließend. Dabei verwandelten sich die bedruckten Bereiche in leitfähigen Graphit. Papier eignet sich mithin als preiswerter, leichter und flexibler Ausgangsstoff für elektronische Bauteile in Alltagsgegenständen.
Abb.: Ein Tintenstrahldrucker trägt zunächst einen Katalysator in einem gewünschten Muster auf ein Papier auf (A). Hitze wandelt die bedruckten Stellen in leitfähigen Graphit und die nicht bedruckten Stellen in amorphen Kohlenstoff um (B). Dass tatsächlich nur die bedruckten Bereiche leitfähig sind, zeigt die anschließende Elektrolyse (C), bei der nur das mit Katalysator behandelte Muster mit Kupfer überzogen wird. (Bild: MPIKG)
Mit kostengünstigen und biegsamen Mikrochips erschließen sich der Elektronik Anwendungen, für die Silizium-Chips zu sperrig und teuer sind und für die die inzwischen weit verbreiteten RFID-Chips nicht genug leisten: Kleidung etwa, die Körperfunktionen kontrolliert, flexible Bildschirme oder Etiketten, die über ein Produkt mehr verraten als sich auf die Verpackung drucken lässt.
Zwar entwickeln weltweit zahlreiche Forscher erfolgreich flexible Chips, sie setzen dabei aber fast immer auf Kunststoffe als Träger und nutzen teilweise auch Polymere und andere organische Moleküle als leitfähige Komponenten. Diese Materialien erfüllen viele Bedingungen, die an sie gestellt werden, sie sind aber durchweg hitzeempfindlich. „Ihre Verarbeitung lässt sich nicht in die übliche Produktion von Elektronik integrieren, weil dabei Temperaturen über 400 Grad Celsius auftreten“, sagt Cristina Giordano, die am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung eine Arbeitsgruppe leitet und nun eine Alternative präsentiert.
Kohlenstoff-Elektronik, die Giordano und ihre Kollegen aus Papier herstellen, hält bei der Herstellung unter Sauerstoff-Ausschluss dagegen selbst Temperaturen um die 800 Grad Celsius aus und würde die gängigen Prozesse nicht durcheinander bringen. Und das ist nicht der einzige Trumpf einer Elektronik aus Papier: Das leichte und preiswerte Material lässt sich auch denkbar einfach verarbeiten, und das sogar zu dreidimensionalen leitfähigen Strukturen.
In Graphit verwandeln die Potsdamer Forscher die Cellulose des Papiers mit Eisennitrat als Katalysator. „Mit einem handelsüblichen Tintenstrahldrucker tragen wir eine Lösung des Katalysators in einem fast beliebig feinen Muster auf ein Blatt auf“, sagt Stefan Glatzel, der die Elektronik in seiner Doktorarbeit aufs Papier gebracht hat. Wenn die Forscher die mit Katalysator bedruckten Bögen in einer Stickstoff-Atmosphäre nun auf 800 Grad Celsius erhitzen, setzt die Cellulose solange Wasser frei, bis nur noch reiner Kohlenstoff übrig bleibt. Während in den bedruckten Bereichen jedoch eine elektrisch leitende Mischung aus den regelmäßig strukturierten Kohlenstoffblättern des Graphit und Eisencarbid entsteht, lässt die Hitze die restlichen Gebiete als Kohlenstoff ohne regelmäßige Struktur zurück, der nicht leitfähig ist.
Abb.: Einen aus Papier gefalteten Kranich tränkten die Potsdamer Max-Planck-Forscher zunächst mit dem eisenhaltigen Katalysator (links), sodass nach der Umwandlung neben Graphit magnetisches Eisencarbid zurückbleibt und der Vogel auf Magnete fliegt (Mitte). Das Transmissions-Elektronenmikroskop enthüllt die Nanostruktur des Kohlenstoffs (rechts). (Bild: MPIKG)
Dass auf diese Weise tatsächliche präzise geformte Leiterbahnen entstehen, bewiesen die Forscher in einem einfachen Experiment: Sie druckten den Katalysator zunächst im Muster der Minerva, des filigranen Symbols der Max-Planck-Gesellschaft, auf ein Blatt Papier und verwandelten das Muster in Graphit. Anschließend verwendeten sie die Graphit-Minerva als Kathode, die sie elektrolytisch mit Kupfer überzogen. Nur auf den Linien, die der Drucker vorgezeichnet hatte, schied sich dabei das Metall ab.
Mit einem weiteren Versuch demonstrierte das Potsdamer Team, wie sich mit ihrer Methode dreidimensionale, leitfähige Strukturen erzeugen lassen. Dafür falteten sie einen Papierbogen zu einem Origami-Kranich, den sie mit dem Katalysator tränkten und zu Graphit buken. „Die dreidimensionale Form blieb dabei vollkommen erhalten, bestand nach dem Prozess aber durch und durch aus leitfähigem Kohlenstoff“, sagt Stefan Glatzel. Das zeigte er wiederum, indem er den Origami-Vogel elektrolytisch mit Kupfer überzog. Jeder Fleck der Bastelarbeit präsentierte sich danach in kupfernem Glanz.
Wie die katalytische Umsetzung abläuft, klärten die Max-Planck-Wissenschaftler schließlich auch noch auf. Sie drehten mit einem Transmissions-Elektronenmikroskop nämlich einen Film des Prozesses und beobachteten auf diese Weise, dass der Katalysator in Form von Nanotröpfchen einer Eisen-Kohlenstoffschmelze durch das Papier wandert und dabei Graphit zurück lässt. Auch dieser Aspekt könnte für mögliche Anwendungen des Verfahrens interessant sein. Denn wenn Chemiker besser verstehen, was dabei passiert, können sie die Reaktion auch genauer steuern. Und das gilt nicht nur für die Produktion von Papier-Elektronik sondern auch für die Herstellung von Kohlenstoff-Nanoröhrchen, wo Eisen bereits seit längerem als Katalysator eingesetzt wird.
Mit dem Video der Graphit-Bildung haben die Forscher einen umfassenden Einblick in die katalytische Umwandlung gewonnen. Aufbauend auf diesen Ergebnissen werden sie nun versuchen, einen Disput über den Mechanismus der Umsetzung zu beenden. Einige ihrer Fachkollegen vermuten nämlich, dass die Reaktion im festen Zustand abläuft. „Unsere Studie deutet jedoch auf die Bildung einer Schmelze, eines sogenannten Eutektikums, hin.“ sagt Cristina Giordano. „Interessant ist hierbei, dass Eisen allein erst bei rund 700 Grad höheren Temperaturen schmilzt.“
Warum die Mischung aus Eisen und Kohlenstoff bei relativ niedrigen Temperaturen schmilzt, untersucht das Team von Cristina Giordano nun näher. Möglicherweise lässt sich der Effekt nämlich auch an anderer Stelle ausnutzen. Zudem werden die Forscher weiter das Potenzial der Papier-Elektronik ausloten. So wollen sie nicht nur die magnetischen Eigenschaften ausnutzen, die das Material dem Eisencarbid verdankt. Indem sie die Papierstärke reduzieren, und den Prozess geschickt steuern, wollen sie auch Leiterbahnen aus Graphen erzeugen. Bei Graphen handelt es sich um ein einzelnes der Kohlenstoffblätter, die sich im Graphit übereinander stapeln.
„Außerdem werden wir Graphit mit anderen Materialien kombinieren“, erklärt Giordano. Der Tintenstrahldrucker macht es möglich. Denn aus seinen Kartuschen lassen sich außer der Eisennitrat-Lösung auch Lösungen anderer Metallsalze oder Dispersionen, die im Wasser feinverteilte Metallpartikel enthalten, zu Papier bringen.
MPG / PH