16.02.2015

Ende einer Ära: ATV verglüht über dem Südpazifik

Technologie des Raumtransporters lebt im europäischen Servicemodul ESM der Raumkapsel Orion weiter.

Es ist ein Abschied für immer: Am 15. Februar um 19.04 Uhr Mitteleuropäischer Zeit ist „Georges Lemaître“, das fünfte und letzte europäische Automated Transfer Vehicle kontrolliert in die Erdatmosphäre eingetreten und verglüht. Zuvor hatte das ATV Nachschub und Experimente zur Internationalen Raumstation ISS transportiert, sowie deren Bahn angehoben und korrigiert. Mit seinem Ausscheiden ist zwar die Ära der ATV-Transporter zu Ende - doch ihr Knowhow lebt im europäischen Servicemodul der US-amerikanischen Raumkapsel Orion weiter.

Abb.: Abschiedsfoto: Das ATV-5 verlässt die Internationale Raumstation. (Bild: DLR)

Einen Tag zuvor hatte ATV-5 vom russischen Swesda-Modul der Raumstation abgedockt und Kurs auf die Erde genommen. Zwei gezielte Bremsmanöver sorgten vor dem Wiedereintritt dafür, dass der 20-Tonnen-Transporter in einem steilen Winkel in die Erdatmosphäre eintauchte, um dann zu verglühen. Das zusätzliche Zünden der Steuerdüsen brachte das Fahrzeug zum Taumeln und erleichterte so das Auseinanderbrechen in kleinere Einzelteile. Drei Wiedereintritts-Experimente zeichneten Daten wie beispielsweise die Temperaturentwicklung auf und sendeten sie zur Erde. Ein ursprünglich von der ESA geplanter „Shallow Reentry“, ein Wiedereintritt in die Erdatmosphäre mit flachem Winkel, wurde aus Sicherheitsgründen nicht durchgeführt. Vor einigen Tagen war eine Batterie in einem der vier redundanten Energieversorgungsstränge ausgefallen.

„Georges Lemaître“ war am 30. Juli 2014 mit eine Ariane-5-Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana zur ISS gestartet. An Bord befanden sich dabei Nachschub an Wasser, Treibstoff, Atemluft und Lebensmittel, der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelte Schmelzofen EML, sowie die ebenfalls aus Deutschland stammenden Experimente MagVector, Spacetex und WiseNet. Vor dem Andocken an die Raumstation am 12. August, das der deutsche ESA-Astronaut Alexander Gerst und der russische Kosmonaut Alexander Skvortsov überwachten, wurden erstmalig die neuen Rendezvous-Sensoren LIRIS (Laser InfraRed Imaging Sensors) am ATV getestet. Diese weiterentwickelte Kombination aus Laser- und Infrarot-Technologie soll zukünftige robotische Anwendungen, wie etwa die Entsorgung von Weltraummüll, ermöglichen und optimieren helfen.

Mit „Georges Lemaître“ gehört das letzte ATV der Vergangenheit an – doch seine Technologie lebt weiter: Sie wird im europäischen Servicemodul ESM der US-amerikanischen Raumkapsel Orion verwendet. ESM ist dort für Energie, Antrieb und Temperaturkontrolle der Raumkapsel, aber auch für die Lagerung von Versorgungsgütern verantwortlich. Das Servicemodul ist außerdem ein Barter-Element, das heißt, es sichert den Europäern Nutzungsrechte auf der ISS in den Jahren 2017 bis 2020. Orion soll erstmals 2018 unbemannt getestet werden und zunächst den Mond, in zukünftigen Missionen aber auch Objekte im erdfernen Weltraum, wie etwa Asteroiden, erforschen. Mit dem ESM steuert die ESA erstmalig ein hochkomplexes und kritisches Element zu einer wichtigen US-Mission bei - ein großer Vertrauensbeweis, der durch das erfolgreiche ATV-Programm erst ermöglicht wurde. Entwickelt und gebaut wird ESM, wie auch zuvor das ATV, vom Raumfahrtunternehmen Airbus Defence & Space in Bremen.

Mit seinem fünften erfolgreichen Flug habe das ATV alle Erwartungen an das Programm mehr als erfüllt, sagt Volker Schmid, ATV-Programmverantwortlicher beim Raumfahrtmanagement des DLR: „Der europäische Raumtransporter führte alle vollautomatischen Flüge und Andockmanöver in bisher nicht erreichter Präzision durch – allein das punktgenaue Andocken an die ISS bei 28.000 Stundenkilometern war eine große Herausforderung, die es zu meistern galt. Zudem ist ATV das größte und komplexeste Raumfahrzeug, das bislang für den Raumtransport eingesetzt wurde.“ Insgesamt wurden bei den fünf Flügen 31,5 Tonnen Fracht zur ISS transportiert. Mit den ATV-Flügen hat Europa seine Beteiligung an den allgemeinen Betriebskosten der ISS abgeleistet. Dadurch erhalten deutsche und andere europäische Astronauten, Wissenschaftler und Ingenieure entsprechende Nutzungszeit auf der ISS.

Mit dem Bau und der Entwicklung des ATV habe die europäische Raumfahrtindustrie wichtige Kenntnisse und Fähigkeiten sammeln und ihren hohen Technologiestandard unter Beweis stellen können, erläutert Schmid weiter: „Deutschland war dabei federführend am Programm beteiligt und hat rund 48 Prozent der Beiträge des insgesamt drei Milliarden teuren Programms finanziert.“ Für den unter Federführung von Airbus Defense & Space in Bremen gebauten Transporter haben 30 Firmen aus zehn europäischen Ländern Leistungen erbracht, weitere Beiträge stammten aus Russland und den USA. Auch das DLR war maßgeblich am Programm beteiligt: So betreute das DLR Raumfahrtmanagement das Programm, beim deutschen Raumfahrtkontrollzentrum der DLR in Oberpfaffenhofen wurde die Kommunikation zwischen dem ISS-Kontrollzentrum in Moskau und dem ATV-Kontrollzentrum in Toulouse koordiniert, und das DLR in Göttingen hatte die ATV-Steuerdüsen mitentwickelt.

DLR / RK

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