Erstmals Licht mit rein transversalem Drehimpuls erzeugt
Eine neue Form von Lichtwellen erweitert die Möglichkeiten in Biologie, Physik und Nanotechnik.
Licht kann erstaunliche Kräfte entwickeln. Den Regeln der Quantenmechanik zufolge ist Licht sowohl eine elektromagnetische Welle als auch ein Strom von Photonen. Da es einen Impuls besitzt, erfährt ein transparentes Teilchen, durch das ein Lichtstrahl fällt, einen Rückstoß, wenn die Photonen es verlassen. Die Kraft, die ein einzelnes Photon dabei ausübt, ist zwar fast verschwindend klein, in intensiven und stark gebündelten Laserstrahlen summiert sich die Wirkung unzähliger Lichtteilchen jedoch so, dass sich damit Objekte bis zu wenigen Mikrometern Größe in einer optischen Falle festhalten oder gezielt bewegen lassen. Biologen etwa nutzen diesen Effekt in optischen Pinzetten, um Zellen im Fokus eines Mikroskops zu fixieren und zu drehen. Dafür verschaffen ihnen Wissenschaftler nun neue Möglichkeiten.
Abb.: Propeller oder Rad – in zirkular polarisiertem Licht schraubt sich der Vektor, der das elektrische Feld der Lichtwelle repräsentiert (blaue Pfeile), schraubenförmig in die Ausbreitungsrichtung. Eine solche elektromagnetische Welle besitzt einen longitudinalen Drehimpuls. Treffen zwei entgegengesetzt drehende Wellen mit zirkularer Polarisation in einem Brennpunkt zusammen, entsteht Licht mit einem rein transversalen Drehimpuls. Dessen elektrischer Feldvektor dreht sich wie eine Fahrradspeiche um eine Achse senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. (Bild: P. Banzer, MPL)
Das Team um Gerd Leuchs, Direktor am Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts, hat ein photonisches Rad erzeugt, Licht mit rein transversalem Drehimpuls: Das elektrische Feld der elektromagnetischen Welle kreist darin um eine Achse, die wie die Achse eines Rads senkrecht zur Fortbewegungsrichtung steht. Bisher kannten Physiker vor allem Licht mit longitudinalem Drehimpuls, in dem der elektrische Feldvektor wie ein Propeller um eine Achse in Ausbreitungsrichtung rotiert. „Die Möglichkeit, dass Licht über den gesamten Strahlquerschnitt gemittelt einen rein transversalen Drehimpuls haben kann, war bisher nicht erkannt worden.“, sagt Peter Banzer, der maßgeblich an der Entdeckung beteiligt war.
Denn wie die Erlanger Physiker nun sowohl theoretisch als auch praktisch zeigten, lässt sich Licht mit rein transversalem Drehimpuls sehr wohl erzeugen, und zwar auf erstaunlich einfache Weise. „Wenn es einmal auf dem Papier steht, sieht es leicht aus“, sagt Gerd Leuchs. Aber man muss erst einmal auf die Idee kommen. Mit dieser Idee setzen die Forscher bei zirkular polarisiertem Licht an. Eine Welle zirkular polarisierten Lichts dreht sich wie eine Schraube um die Ausbreitungsrichtung des Strahls und hat einen propellerförmigen longitudinalen Drehimpuls. Erzeugen lässt sich zirkular polarisiertes Licht zum Beispiel durch einen doppelbrechenden Kristall.
Ob sich die Lichtwelle dabei im oder gegen den Uhrzeigersinn dreht, hängt von der Orientierung des Kristalls ab. Die Erlanger Physiker fügten zwei Scheiben dieses Materials so zusammen, dass ein Teil eines Laserstahls im und ein Teil gegen den Uhrzeigersinn rotiert. Die beiden gegeneinander rotierenden Teilstrahlen fokussierten sie dann mit einer Linse auf einen Brennpunkt der Größe der Lichtwellenlänge. „Unsere theoretischen Betrachtungen ergaben, dass wir im Brennpunkt Licht mit einem rein transversalen Drehimpuls erhalten – das photonische Rad“, sagt Peter Banzer. Auch im Experiment zeichnet sich die besondere Eigenschaft ab. Mit einem Nanoteilchen aus Gold haben sie bereits die charakteristische Form des Fokus vermessen, die im Zusammenhang mit dem rein transversalen Drehimpuls des fokussierten Strahls auftritt. Bislang bleibt der Nachweis des um eine transversale Achse rotierenden Lichtfeldes noch indirekt. Aber schon bald wollen die Erlanger Physiker mit dem rotierenden Lichtfeld ein Nanoteilchen um sich selbst kreisen lassen.
Abb.: Nanoteilchen mit Effet – ein photonisches Rad (als grüner Fleck auf dem weißen Untergrund angedeutet) bringt ein Nanoteilchen in einer optischen Falle dazu, in der Ausbreitungsrichtung des Lichts um sich selbst zu rotieren. Sobald die optische Falle geöffnet wird, saust das Teilchen durch seine Rotationsbewegung davon (rechts; Bild: P. Banzer, MPL)
Das Lichtrad verschafft nicht nur Biologen neue experimentelle Möglichkeiten, die Zellen unter dem Mikroskop künftig in drei Raumrichtungen rotieren lassen könnten. Auch in der Quanten- und Nanooptik erweitert die neue Art, Lichtwellen zu formen, den experimentellen Spielraum. Zudem dürfte sie sich in der Nanotechnik als nützlich erweisen, etwa um Nanomixer oder andere Nanomaschinen zu konstruieren. „Wenn wir Teilchen in einer optischen Falle zunächst im Kreis beschleunigen und dann die Falle öffnen, sollten sie kreiselnd davon sausen, und wir könnten eine Art Dragsterrennen mit Nanopartikeln veranstalten“, erklärt Gerd Leuchs. „Diese Möglichkeiten, die das photonische Rad uns gibt, wollen wir nun in weiteren Experimenten ausloten.“
MPG / OD