11.01.2023 • TeilchenphysikKernphysikQuantenphysik

Es gibt keine sterilen Neutrinos

Finale Ergebnisse der STEREO-Kollaboration schließen Existenz des zusätzlichen Neutrino-Zustands aus.

Neutrinos sind sehr leicht, elektrisch neutral und wechselwirken nur über die elektroschwache Kraft. Heute sind drei verschiedene Arten von Neutrinos bekannt. Diese Neutrinos können aufgrund ihrer sehr kleinen, aber von Null verschiedenen Masse ihre Identität zwischen diesen verschiedenen Zuständen wechseln. Diese Neutrino-Oszillationen wurden vor etwa zwei Jahrzehnten nachgewiesen. Im Jahr 2011 wurde mit erhöhter Präzision eine Anomalie zwischen dem beobachteten und dem vorhergesagten Antineutrinofluss festgestellt, der in Kernreaktoren entsteht. Daraufhin wurde die Hypothese aufgestellt, dass es einen zusätzlichen Neutrino-Zustand gibt, der steril ist, also nicht über die schwache Wechselwirkung wechselwirkt. Dieses Teilchen könnte dann möglicher­weise auch weitere physikalische Phänomene erklären, die bisher nicht vollständig verstanden sind, wie etwa dunkle Materie.

Abb.: Die Anordnung des STEREO-Detektors nahe dem Reaktorkern in Grenoble....
Abb.: Die Anordnung des STEREO-Detektors nahe dem Reaktorkern in Grenoble. (Bild: MPIK)

Um die Hypothese der sterilen Neutrinos eindeutig zu testen und ihre Eigenschaften zu erforschen, wurde das STEREO-Experiment konzipiert und 2017 am Kern­forschungs­reaktor des ILL Grenoble in Betrieb genommen. Ein aus sechs identischen Elementen bestehender Detektor wurde nur zehn Meter vom Reaktorkern entfernt aufgestellt. Das Projekt profitierte dabei von den Erfahrungen, die in mehreren Generationen von Reaktor­neutrino­experi­menten gesammelt wurden. Abgeschirmt von der äußeren Umgebung waren die Zellen des Detektors ideal positioniert, um mit beispiel­loser Präzision nach der Signatur steriler Neutrinos zu suchen: Es sollten dafür in kurzer Entfernung vom Reaktor positions­abhängige Verzerrungen in ihrer Energie­verteilung auftreten.

Jetzt hat die STEREO-Kollaboration ihre finalen Ergebnisse veröffentlicht, die den gesamten Datensatz kombinieren. Die Physiker bestätigten eine messbare Anomalie im Neutrinofluss, der von Kernreaktoren emittiert wird, schließen jedoch sterile Neutrinos als Ursache dafür aus. „Wir konnten in den Jahren 2017 bis 2020 insgesamt mehr als hundert­tausend Neutrinos beobachten, aber keine Spur von möglichen sterilen Neutrinos in diesen Messungen feststellen“, erklärt Christian Buck, einer der leitenden Forscher des Experiments vom MPI für Kernphysik.

„Höchstwahrscheinlich resultieren die beobachteten Anomalien aus unterschätzten Unsicher­heiten in den Kerndaten aus den radio­aktiven Zerfällen, die für die Fluss­vorhersage verwendet wurden, und nicht aus den Neutrino­experi­menten selbst“, so der Forscher weiter. Während dieses Ergebnis die Hypothese der sterilen Neutrinos deutlich zurückweist, dient es als weitere Unterstützung für die Theorie des Standard­modells und die dort beschriebenen Neutrinos.

Neben der Suche nach sterilen Neutrinos liefert das STEREO-Experiment auch die bisher genaueste Messung des Anti­neutrino­spektrums aus der Spaltung von Uran-235. Es soll als Referenz­spektrum für künftige Hochpräzisions­reaktor­experimente dienen, etwa für die Bestimmung der Massen­hierarchie von Neutrinos oder die Überprüfung des Standard­modells bei niedrigen Energien. Darüber hinaus könnten Präzisions­messungen dieser Art dazu beitragen, die Phänomene, die beispielsweise während einer Reaktor­abschaltung auftreten, besser zu verstehen.

MPIK / RK

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