11.05.2007

EU-Staaten müssen Galileo retten

Nach den gescheiterten Verhandlungen mit der Raumfahrtindustrie muss die EU das Prestigeprojekt Galileo mit Steuergeldern in Milliardenhöhe vor dem Absturz retten.

Brüssel (dpa) - Nach den gescheiterten Verhandlungen mit der Raumfahrtindustrie muss die EU das Prestigeprojekt Galileo mit Steuergeldern in Milliardenhöhe vor dem Absturz retten. Das Konsortium um den Luftfahrtgiganten EADS ließ am Donnerstag ein Ultimatum zur Erfüllung wichtiger Auflagen verstreichen. Verkehrskommissar Jacques Barrot werde deshalb nächsten Mittwoch Vorschläge für den Bau des Satelliten-Navigationssystems vorlegen, sagte sein Sprecher in Brüssel. Am wahrscheinlichsten sei der Aufbau durch den Staat und der spätere Betrieb durch die Privatwirtschaft.

Galileo soll Europa unabhängig vom amerikanischen GPS-System machen und eine genauere Ortung ermöglichen. Streitigkeiten zwischen den EU-Ländern um Geld und den Sitz von Kontrollzentren haben immer wieder zu Verzögerungen geführt und bereits Mehrkosten in Millionenhöhe verursacht. Politik und Wirtschaft warfen sich am Donnerstag gegenseitig vor, am Scheitern der öffentlich-privaten Partnerschaft (PPP) zum Bau von Galileo schuld zu sein.

Bei einem Aufbau in öffentlicher Regie kämen auf die öffentliche Hand dem Kommissionssprecher zufolge Kosten von 2 bis 3 Milliarden Euro zu. 1,2 Milliarden bis 1,4 Milliarden Euro seien bereits ausgegeben worden. «Der Steuerzahler ist am Anfang mehr gefragt, aber über die Gesamtlaufzeit gesehen rechnet es sich.» Ein Projekt der Größenordnung Galileos sei in der EU noch nie mit privater Finanzierung realisiert worden. Der bisher vorgesehene Starttermin im Jahr 2011 würde eingehalten. Möglich sei sogar das Jahr 2010.

Die Raumfahrtbranche begrüßte das Vorhaben. Auch Konkurrenzsysteme würden in staatlicher Regie errichtet, da die private Wirtschaft nicht die Grundlagen habe, beim Risiko «in die Vollen zu gehen», sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) und EADS-Co-Vorstandschef, Thomas Enders, in Berlin. «Man kann nicht alles privatisieren.» Für den späteren Systembetrieb sei wieder eine Ausschreibung denkbar. Möglich sei, dass auch der Betrieb von Galileo in öffentlicher Regie liegen könne, etwa bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA.

Der SPD-Europaabgeordnete Ulrich Stockmann erhob dagegen schwere Vorwürfe gegen die EU-Kommission. Langfristig werde dieses «Fiasko» den Steuerzahler weit mehr als drei Milliarden Euro kosten. Schuld daran sei die von Barrot betriebene «Zwangsfusion» der ursprünglichen zwei Industrie-Konsortien, aus der ein Monopol entstanden sei. Enders räumte ein, auf Seiten der Wirtschaft, aber vor allem der Politik, seien Fehler gemacht worden. «Ich haben noch nie ein Projekt erlebt, dass so stark politisch geprägt war wie dieses.» Nachdem die beiden Konsortien «zusammengezwungen» worden seien, sei es nicht verwunderlich, dass es zu einem Hauen und Stechen gekommen sei. Enders forderte, auch eine militärische Nutzung von Galileo ins Auge zu fassen. Der Kommissionssprecher wies dies zurück.

Das Vorhaben von Barrot müsste beim nächsten Verkehrsministerrat im Juni grünes Licht erhalten. Der derzeitige Vorsitzende, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), hat bereits vor wenigen Tagen das gleiche Vorgehen vorgeschlagen. Sollten sich die Minister nicht einigen, würde Galileo wohl zum Streitthema auf dem Juni-Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs.

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