12.07.2024

Europium aus Elektroschrott

Neuer Ansatz für das lang erhoffte Recycling von Seltenerdmetallen.

Seltene Erden sind für die moderne Wirtschaft unabdingbar. Denn diese siebzehn Metalle sind essenzielle Rohstoffe für die Digitalisierung und die Energiewende: Sie stecken in Smartphones, Computern, Bildschirmen und Batterien – ohne sie läuft kein Elektromotor und dreht sich kein Windrad. Weil Europa fast vollständig auf Importe aus China angewiesen ist, gelten diese Rohstoffe als „kritisch“. Kritisch sind seltene Erden aber auch wegen ihrer Gewinnung. In natürlichen Erzen kommen sie stets gemischt vor – doch da sich diese Elemente chemisch sehr ähnlich sind, lassen sie sich nur schwer voneinander trennen. Traditionelle Trennverfahren sind daher sehr chemikalien- und energieintensiv und erfordern etliche Extraktionsschritte. Das macht die Förderung und Reinigung der Metalle teuer, aufwändig und für die Umwelt enorm schädlich.

Abb.: Rohstoff Leuchtstofflampe: ETH-Doktorandin Marie Perrin präsentiert den...
Abb.: Rohstoff Leuchtstofflampe: ETH-Doktorandin Marie Perrin präsentiert den neuen Recycling-Ansatz für Seltene Erden.
Quelle: F. Masero, ETHZ

Trotzdem werden seltene Erden in Europa noch kaum wieder­verwertet“, sagt Victor Mougel von der ETH Zürich. Eine Team von Forschenden unter Mougels Leitung will das ändern. Es brauche dringend nachhaltige und unkom­plizierte Methoden zur Trennung und Rückgewinnung dieser strategischen Rohstoffe aus unter­schiedlichen Quellen. Nun präsentierte das Team eine überraschend einfache Methode, mit der sich das Selten­erdmetall Europium effizient aus komplexen Gemischen von anderen seltenen Erden abtrennen und wiederverwerten lässt.


Marie Perrin, Doktorandin in Mougels Gruppe, erklärt: „Bestehende Trenn­verfahren beruhen auf Hunderten von Flüssig-Flüssig-Extraktions­schritten und sind ineffizient, und das Recycling von Europium war bislang wenig praktikabel.“ Doch ein einfaches anor­ganisches Reagenz kann diese Trennung erheblich verbessern. „Damit gewinnen wir Europium in wenigen einfachen Schritten – und das in Mengen, die mindestens fünfzigmal höher sind als mit bisherigen Trenn­methoden“, so Perrin.

Der Schlüssel zu dieser Technik liegt in kleinen anorganischen Molekülen mit vier Schwefelatomen, die um ein Wolfram- oder Molybdänatom herum angeordnet sind: Tetrathiometallate. Die Forschenden liessen sich dabei von der Welt der Proteine inspirieren. Tetrathio­metallate kommen oft als Bindungsstelle für Metalle in natürlichen Enzymen vor und dienen als Wirkstoff gegen Krebs und Störungen des Kupfer­stoffwechsels. Erstmals werden Tetrathio­metallate nun auch als Liganden für die Trennung von Seltenerd­metallen eingesetzt. Dabei kommen seine einzig­artigen Redox-Eigenschaften zum Tragen, die Europium in seinen ungewöhnlichen zweiwertigen Zustand reduzieren und so die Trennung von den anderen dreiwertigen Seltenerd­metallen vereinfachen.

„Das Prinzip ist dabei so effizient und robust, dass wir es direkt auf verbrauchte Leuchtstofflampen anwenden können, ohne dass die sonst üblichen Vorbehandlungs­schritte erforderlich sind“, sagt Mougel. Denn Elektronik­schrott stellt eine wichtige, aber bislang wenig genutzte Quelle für Seltenerdmetalle dar. „Würde diese Quelle erschlossen, dann könnten die Lampenabfälle, welche die Schweiz derzeit ins Ausland schickt, um sie in Deponien zu entsorgen, stattdessen hier in der Schweiz recycelt werden“, meint Mougel. So könnten Lampen­abfälle als urbane Minen für Europium dienen und die Schweiz unabhängiger von Importen machen.

In der Vergangenheit wurde Europium hauptsächlich als Leuchtstoff in Leuchtstoff­lampen und Flachbild­schirmen verwendet, was zu hohen Marktpreisen führte. Da Leuchtstofflampen nun sukzessive aus dem Verkehr gezogen werden, ist die Nachfrage gesunken, so dass die bisherigen Recycling­methoden für Europium wirtschaftlich nicht mehr rentabel sind. Effizientere Trenn­strategien sind dennoch wünschenswert und könnten helfen, die Unmengen an günstigen Leuchtstoff­lampenabfällen zu verwerten, deren Gehalt an Seltenerd­metallen etwa siebzehnmal höher ist als in natürlichen Erzen.

Umso dringlicher erscheint es, seltene Metalle am Lebensende von Produkten zurück­zugewinnen und im Kreis zu führen – doch die Rückgewinnungs­rate von Selten­erdelementen liegt in der EU weiterhin unter ein Prozent. Im Prinzip ist jedes Trenn­verfahren für seltene Erden sowohl bei der Förderung aus Erzen als auch bei der Rückgewinnung aus Abfällen einsetzbar. Die Forschenden konzentrieren sich mit ihrer Methode aber bewusst auf das Recycling der Rohstoffe, weil dies ökologisch und ökonomisch viel sinnvoller sei. „Unser Recycling-Ansatz ist deutlich umweltfreundlicher als alle herkömmlichen Methoden zur Gewinnung von Seltenerd­metallen aus Mineralerzen“, sagt Mougel.

Die Forschenden haben ihre Technologie patentiert und sind daran ein Start-up namens Reecover zu gründen, um sie künftig zu vermarkten. Derzeit arbeiten sie daran, das Trennverfahren für weitere Seltenerd­metalle wie etwa Neodym und Dysprosium, die in Magneten vorkommen, anzupassen. Wenn das gelingt, will Marie Perrin nach ihrem Doktorat das Start-up aufbauen und das Recycling seltener Erden in der Praxis etablieren.

ETHZ / JOL

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