Exotischer Quantenkristall simuliert
Rechnungen Kieler Wissenschaftler sagen dritte Materieform von Kristallen voraus.
Physiker der Universität Kiel haben anhand ihrer Simulationen eine dritte Materieform von Kristallen entdeckt. Sie besitzt die Eigenschaften beider bisher bekannten Kristalltypen. Dieses ungewöhnliche Verhalten wurde für Kristalle aus Exzitonen – wasserstoffartigen Bindungszuständen aus Elektronen und Löchern – in Halbleiter-Nanostrukturen vorhergesagt, die einem starken elektrischen Feld ausgesetzt sind.
Abb.: Die Dichteverteilung der Exzitonen in der Ebene des „quantum well“ ist durch farbliche Markierungen gekennzeichnet. Gelbe Farbe entspricht hoher Dichte, rote niedriger und grün entspricht der Dichte Null. Von oben links nach unten rechts wächst die Dichte bei konstanter Temperatur. (Bild: M. Bonitz, U. Kiel)
Normalerweise existieren in der Natur zwei unterschiedliche Typen von Kristallen: Der erste entsteht bei Kompression einer Flüssigkeit, der zweite aus einer Flüssigkeit, wenn der Druck verringert wird. Während der erste Typ charakteristisch ist für die meisten Materialien in unserem alltäglichen Leben, tritt der zweite Typ in dichten Quantenflüssigkeiten geladener Teilchen auf, etwa in Elektronen in Metallen oder Ionen in exotischen Zwergsternen oder Neutronensternen.
Die Kieler stellten umfangreiche Computersimulationen an, anhand derer sie das ungewöhnliche Verhalten der Exzitonenkristalle aufgeklären konnten, denn sie fanden eine recht einfache Erklärung für die Koexistenz der beiden einander anscheinend ausschließenden Schmelzprozesse. Die Lösung liegt in der Quantennatur der Exzitonen und in den abstoßenden Wechselwirkungskräften, die zwischen ihnen wirken. Bei niedrigem Druck und tiefen Temperaturen stoßen sich die Exzitonen über eine Dipolkraft ab und bilden eine Quantenflüssigkeit. Bei einer Druckerhöhung gefriert diese zu einem Exzitonenkristall. Unter noch stärkerer Kompression nähern sich zwei Exzitonen so stark an, dass die Quantennatur ihrer Bestandteile – Elektronen und Löcher – zum Tragen kommt und die Wechselwirkung abschwächt. Infolge davon durchdringen sich die exzitonischen Wellenpakete, der Kristall schmilzt wieder und verwandelt sich in eine Supraflüssigkeit.
Die Forscher haben genau untersucht, in welchen Materialien und unter welchen Bedingungen dieser exotische Exzitonenkristall beobachten lassen sollte. Besonders gut eignen sich demnach Zink-Selenid- und Gallium-Arsenid-Quantum-wells. Nun sei es an den Experimentatoren, die Vorhersagen zu überprüfen und diesen neuen Materiezustand nachzuweisen.
CAU / OD