Fachkräftemangel als Wachstumsbremse?
Der Fachkräftemangel droht nach Einschätzung von Bundesregierung und Forschung zur Wachstumsbremse in Deutschland zu werden.
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Berlin (dpa) - Der Fachkräftemangel droht nach Einschätzung von Bundesregierung und Forschung zur Wachstumsbremse in Deutschland zu werden. «Obwohl 20.000 Ingenieure arbeitslos gemeldet sind, sucht die Wirtschaft händeringend nach solchen Fachkräften. Das passt nicht zusammen, das bremst den Aufschwung», sagte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. Die Wirtschaft geht von 40.000 fehlenden Ingenieuren aus. Die Deutsche Forschungs-Gemeinschaft (DFG) prangert zudem das Fehlen von rund 70.000 Wissenschaftlern an. Der Bundesrat will das von der Koalition beschlossene neue Ausländer- und Asylrecht am Freitag verabschieden. Experten gehen die Änderungen nicht weit genug.
Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte, es müssten alle Möglichkeiten genutzt werden, um dem drohenden akademischen Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Dazu gehöre die Senkung der Studienabbrecherzahl, klar gegliederte kürzere Studiengänge sowie mehr Weiterbildung. Das neue Zuwanderungsrecht enthalte Verbesserungen für Studierende und Nachwuchswissenschaftler aus Nicht-EU-Staaten.
Der Migrationsforscher Dieter Oberndörfer kritisierte dagegen das geänderte Zuwanderungsrecht als fremdenfeindlich, unmenschlich und schädlich für die Wirtschaft. «In der Gesamtbilanz läuft alles auf eine verbesserte Abwehr weiterer Zuwanderung hinaus», sagte das Vorstandsmitglied des Rates für Migration in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Einwanderung bleibe auf einen winzigen Kreis von Unternehmern oder hoch bezahlten Fachkräften mit einem Mindesteinkommen von 85 000 Euro beschränkt.
Unter diesen Bedingungen seien 2005 lediglich 900 Zuwanderer nach Deutschland gekommen. In der Schweiz hätten im selben Jahr 13.000 deutsche Fachkräfte Arbeit gefunden. «Qualifizierte Arbeitskräfte aus neuen Ländern der Europäischen Union werden auch weiterhin an Deutschland vorbei in großer Zahl nach England, den skandinavischen Staaten, der Schweiz, Italien und der iberischen Halbinsel wandern und dort aufgenommen werden.»
Besonders problematisch ist der Fachkräftemangel in der IT- Branche, wo nach Verbandsangaben 20.000 Stellen unbesetzt sind. «Die Lösung des Problems kann nur durch Reformen in der Bildungs- und Zuwanderungspolitik gelingen», sagte BITKOM-Präsident August-Wilhelm Scheer. Die Koalition will das Problem bei der Kabinettsklausur im August beraten. Denkbar ist eine Absenkung der Einkommensgrenzen, damit Ausländer leichter eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis bekommen. Die tatsächliche Größe der Fachkräftelücke ist umstritten. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) beziffert den Mangel nur auf 10.000 bis 12.000 Ingenieure.
Zur Konjunktur sagte Glos, es sei erfreulich, dass Deutschland wieder Wachstumslokomotive in Europa sei. «Wir erleben den Aufschwung für alle.» Glos bestätigte die Wachstumsprognose der Regierung von 2,3 Prozent für dieses Jahr. Führende Institute rechnen sogar mit über drei Prozent. Bis Ende 2008 könnte die Arbeitslosigkeit im Schnitt auf unter 3,5 Millionen sinken. «Das wäre der tiefste Stand seit über zehn Jahren.» Neben der Haushaltssanierung müssten nun auch Bürger und Betriebe durch sinkende Steuern und Abgaben entlastet werden.
Während FDP und SPD die Wirtschaftspolitik lobten, kam von Linken und Grünen deutliche Kritik. Links-Fraktionschef Gregor Gysi sagte, Löhne und Gehälter seien in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt um rund sechs Prozent geschrumpft. Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn bezeichnete Glos in der Klima- und Umweltpolitik als «Chefbremser» der Regierung. Er falle nur als Sprachrohr der Atomlobby auf.