09.07.2013

Fitnesstest für Korrosionsschutzschichten

Neues Testprogramm zur Korrosionsbeständigkeit bildet härteste Belastungsszenarien ab.

Innenbeschichtungen von Erdölförderanlagen müssen einiges aushalten: Aggressive chemische Substanzen, hohe Temperaturen und Drücke sowie Sand- und Gesteinspartikel setzen den Behälterwänden zu. Das führt nach einer gewissen Zeit zur Korrosion der verbauten Stähle. Die Beschichtungen in Tanks, Separatoren und Pipelines müssen daher in regelmäßigen Abständen erneuert werden. Wie lange das Material „durchhält“, hängt jedoch stark von der individuellen Belastung ab, der es ausgesetzt ist. Nicht jede Schicht ist für jede Anwendung gleich gut geeignet. Bislang fehlen den Anlagenbetreibern jedoch systematische Untersuchungen, um die auf dem Markt verfügbaren Materialien für unterschiedliche Belastungen vergleichend zu bewerten.

Abb.: Oberflächen auf Bohrplattformen wie der Deepsea Delta in der Nordsee sind härtesten Belastungen ausgesetzt.  (Bild: Eric Christensen)


Forscher des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg wollen diese Lücke jetzt schließen: Im Rahmen eines von der Deutschen Wissenschaftlichen Gesellschaft für Erdöl, Erdgas und Kohle (DGMK) geförderten Projekts haben die Freiburger ein Testprogramm zur Korrosionsbeständigkeit unter verschiedenen Belastungsszenarien erarbeitet, das die Bedingungen in einer Anlage realitätsnah abbilden soll. „In den verschiedenen Teilen der Anlage werden ganz unterschiedliche Anforderungen an das Beschichtungsmaterial gestellt“, erklärt Dr. Matthias Gurr vom IWM. So befinden sich etwa in unmittelbarer Nähe zum Bohrloch meist noch Sand- oder Gesteinspartikel im geförderten Gemisch. In diesem Teil der Anlage ist es vor allem entscheidend, dass die Beschichtung der mechanischen Belastung durch Abrieb standhält. Aber auch chemische Faktoren setzen dem Material zu. Etwa Salzlösungen wie das Lagerstättenwasser, die bei der Förderung zusammen mit dem Rohöl aus dem Boden gepumpt werden. Beschichtungen, die mit dieser Lösung in Berührung kommen, brauchen eine hohe chemische Beständigkeit und eine gute Undurchlässigkeit, um die darunterliegende Stahloberfläche effektiv vor Korrosion schützen zu können. „Die Salzlösung wird zu einem späteren Zeitpunkt im Separator vom Öl abgetrennt. Für Anlagenteile, die sich hinter dem Separator befinden, ist die Resistenz gegenüber der Salzlösung dann zum Teil nicht mehr so wichtig“, so Gurr.

Abb.: Durchgefallen beim Fitness-Test! Begutachtung einer entnommenen Schichtprobe nach Durchführung eines Beständigkeitstests in der Atlas-Zelle. (Bild: Fraunhofer IWM)

Um die Korrosionsbeständigkeit von Beschichtungen im Labor zu untersuchen, wenden die Forscher verschiedene Tests an. Beim Autoklaventest geben sie eine Materialprobe zusammen mit einem Medium – etwa einem Öl-Salzlösungs-Gemisch – in einen gasdichten Behälter und setzen diesen Temperaturen bis 150 Grad Celsius aus. Die kritische Grenze für eine erhöhte Korrosionsanfälligkeit liegt bei den meisten Materialien deutlich darunter. Die Untersuchung ist bereits Stand der Technik – allerdings lassen sich damit nicht alle Bedingungen simulieren, die in einer Anlage tatsächlich auftreten. Bei nicht zusätzlich isolierten Containern spielen beispielsweise auch thermisch induzierte Spannungen und Kondensationseffekte eine Rolle, da es dort zu Temperaturgefällen zwischen der Außenwand und dem Inneren des Behälters kommt. Um diese Temperaturunterschiede unter Laborbedingungen nachstellen zu können, setzen die Wissenschaftler spezielle Atlas-Zellen ein: Das sind Stahlrohre, an deren offenen Enden jeweils eine Materialprobe aufgepresst wird, um sie zu verschließen. „Die Beschichtung wird dadurch zu einem Teil der Behälterwand“, erläutert Gurr. Während das Medium im Inneren der Zelle hochgeheizt wird, können die Forscher die Außentemperatur über einen zweiten Kreislauf nach unten regulieren.

Ihre Untersuchungsergebnisse stellen die Experten in einer umfangreichen vergleichenden Tabelle zusammen. Mit deren Hilfe könnten Anlagenbetreiber künftig auf einen Blick sehen, welches Material für spezifische Belastungsparameter die besten Werte aufweist. Derzeit laufen Gespräche mit mehreren Industriepartnern aus dem Projektkonsortium, um Beschichtungsmaterialien auch unter realen Bedingungen in einer Anlage testen zu können. Gurr und sein Team hoffen auf erste Ergebnisse in etwa zwei Jahren. „Die Korrelation zwischen unseren Labortests und den Feldversuchen wäre eine wichtige Grundlage, um zukünftig auch konkrete Vorhersagen über die Lebensdauer eines Beschichtungssystems treffen zu können“, so Gurr.

IWM / LK

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