12.06.2015

Fotobelichtung auf der Nano-Ebene

Ausgefeilte Untersuchungstechnik beob­achtet licht­empfind­liche Körn­chen einer Film-Emul­sion in Milli­sekun­den-Auf­lösung.

Fotoinduzierte chemische Reaktionen spielen in zahlreichen grundlegenden Prozessen und Technologien eine Rolle, von der Energieumwandlung in der Natur bis zur Mikro­fertigung mit Hilfe der Foto­lithografie. Ein Beispiel, das sich sogar mit bloßem Auge verfolgen lässt, ist die Belichtung fotogra­fischer Filme. Die Forscher untersuchten die Vorgänge während der Belichtung auf der Ebene der Nano­kristal­lite, der licht­empfind­lichen Körnchen in der Emulsion. Dazu nutzten sie eine Sorte Fotopapier (Kodak Linagraph-Papier Typ 2167, „Yellow Burn Paper“), das bei Röntgen­experimenten oft zur Strahljustierung dient. „Das Fotopapier, das wir uns angeschaut haben, ist nicht speziell für Röntgen­strahlung ausgelegt“, erläutert Michael Sprung, Leiter der Mess­station P10, an der die Experimente stattfanden.

Abb.: Das Röntgenstreubild enthält detaillierte Informationen der Nanostruktur des foto­sensitiven Films. Aufeinander folgende Bilder zeigen die dynamischen Veränderungen während der Belichtung durch Wandern und Aufspalten einzelner Diffrak­tions­punkte. (Bild: Zh.-F. Huang, UCLA)

Die Röntgenstrahlung diente in dem Versuch nicht nur zur Belichtung des Fotopapiers, sondern auch zur Analyse der inneren Zusammen­setzung. Das Papier besitzt einen lichtempfindlichen Film von einigen Mikro­metern Dicke, der aus winzigen Silber­bromid-Körnchen in einer Gelatine­schicht besteht. Die Körnchen haben eine mittlere Dicke von 700 Nanometern. Aus dem resultierenden Beugungs­muster auf dem Detektor lassen sich Eigenschaften wie die Gitterweite des Kristalls, die chemische Zusammensetzung und die Orientierung ablesen.

„Da der Röntgenstrahl mit einer Ausdehnung von 270 mal 370 Nanometern kleiner war als die mittlere Korngröße, konnten wir individuelle Silber­bromid-Körnchen in dem ,Burn‘-Papier beobachten“, erläutert Salditt, der als DESY-Partner das Göttingen Instrument for Nano-Imaging with X-Rays, GINI-X, an der Mess­station P10 mit aufbaut und betreibt.

Die Belichtung mit Röntgenstrahlung startet die Photolyse, die Silber aus dem Silberbromid löst. Ein einzelnes Röntgen-Photon kann dabei viele Silberatome lösen, die zu Agglomeraten an der Oberfläche und im Inneren der Silber­bromid­körnchen zusammenwachsen. Die Wissen­schaftler konnten nicht nur das Wachstum reiner Silber-Nano­körnchen beobachten, sondern auch wie die Silberbromid-Körnchen unter Druck gerieten, sich zu drehen begannen und in kleinere Kristallite zerbrachen. Der außer­gewöhnlich helle Strahl von PETRA-III zusammen mit einem Hoch­geschwin­digkeits-Röntgen­detektor erlaubte es, diese Prozesse mit einer Zeit­auf­lösung von bis zu fünf Millisekunden zu „filmen“. „Erstmals haben wir die Korn­drehung und Gitter­deformation während einer fotoinduzierten chemischen Reaktion beobachtet“, betont Miao. „Wir waren überrascht, wie schnell einige dieser einzelnen Körner rotieren“, ergänzt Sprung. „Manche drehen sich fast einmal in zwei Sekunden.“

Abb.: Das Fotopapier unter dem Rasterelektronenmikroskop, links vor der Belichtung, rechts danach. Bilder: Zh.-F. Huang, UCLA)

Angesichts der rasanten Entwicklung moderner Synchrotron-Strahlungsquellen in den USA, Europa und Asien erwarten die Autoren, „dass die In-Situ-Nanodiffraktion, die eine Messung atomgenauer Beugungsbilder mit Millisekunden-Zeitauflösung ermöglicht, breite Anwendung zur Untersuchung von Phasenübergängen, chemischen Reaktionen, Kristallwachstum, Korngrenzendynamik, Gitterausdehnungen und -kontraktionen in der Materialforschung, den Nanowissenschaften und der Chemie findet.“

DESY / OD

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