Frustrierte Flüssigkeit
Metall mit magnetischer Frustration zeigt neuartigen quantenkritischen Zustand.
Ein deutsch-japanisches Forscherteam unter der Leitung der Universität Göttingen hat bei tiefen Temperaturen in einer speziellen Metallverbindung einen neuen Quantenzustand entdeckt. Als Folge der Heisenbergschen Unschärferelation sind atomare Teilchen selbst am absoluten Nullpunkt stets in Bewegung, und diese Quantenfluktuationen können zu Transformationen zwischen unterschiedlichen Zuständen führen. Das Verhalten in der Nähe solcher durch Quanteneffekte bewirkten Übergänge wird als Quantenkritikalität beschrieben. Eine neue Art von Quantenkritikalität entdeckten die Wissenschaftler nun bei hochempfindlichen Messungen der magnetischen Eigenschaften in einer kristallinen Verbindung von Praseodymiridiumoxid.
Abb.: Frustrierte Anordnung der magnetischen Momente auf den Ecken von verbundenen Tetraedern in der Pyrochlorstruktur von Praseodymiridiumoxid (Bild: U. Göttingen)
Die nun entdeckte Quantenkritikalität entsteht durch das Zusammenspiel atomarer magnetischer Momente der Praseodym-Atome und Iridium-Leitungselektronen. Diese Momente sind hier geometrisch so angeordnet, dass ihr Bestreben, sich parallel zu allen nächsten Nachbaratomen auszurichten, nicht gleichzeitig erfüllt werden kann – man spricht von einem geometrisch frustrierten Magneten. Im Gegensatz zu einem nicht frustrierten Magneten kann dieser keine Ordnung ausbilden; die Momente bleiben in einem stark gekoppelten flüssigkeitsartigen Zustand. Solche Spinflüssigkeiten werden zurzeit intensiv studiert, da in ihnen besondere Anregungen vorliegen können, die sich wie magnetische Monopole verhalten.
Die neuen Ergebnisse zeigen erstmals quantenkritisches Verhalten einer solchen Spinflüssigkeit. Beim Abkühlen zu sehr tiefen Temperaturen frieren Richtungsänderungen der Momente nicht aus. Stattdessen bildet sich ein durch Quantenfluktuationen verursachter kritischer Zustand aus. „Dies ist neu gegenüber allen bislang beobachteten Quantenspinflüssigkeiten und hängt vermutlich mit den in der speziellen Verbindung zusätzlich vorliegenden Iridium-Leitungselektronen und ihrer Streuung an den Praseodym-Atomen zusammen“, so der Experimentalphysiker Philipp Gegenwart, kürzlich von der Universität Göttingen an die Universität Augsburg gewechselt. Das beobachtete Verhalten unterscheidet sich auch deutlich von allen bislang bekannten quantenkritischen Systemen und zeigt die besondere Bedeutung geometrischer Frustration für stark wechselwirkende Quantensysteme.
U. Göttingen / DE