05.07.2016

Ganz nah dran statt nur dabei

Zelluläre Prozesse mittels NMR realitätsnah abgebildet.

Winzige Proteinmoleküle verrichten so gut wie alle Aufgaben in unseren Zellen, können bei Fehl­funktionen aber auch schwere Krankheiten wie die Alzheimer-Demenz oder Krebs auslösen. Um die komplexen drei­dimensionalen Strukturen dieser Moleküle in atomarem Detail aufzuklären, nutzen Forscher Verfahren wie die nuklear­magnetische Resonanz­spektroskopie (NMR). Dabei werden die Atomkerne in einem starken Magnetfeld so angeregt, dass sie ein schwach messbares Signal aussenden, aus denen sich die Position jedes einzelnen Atoms im Molekül ableiten lässt.

Abb.: Erstmals konnten Forscher die Signale eines ausgewählten Proteins direkt in einer aus Bakterienzellen gewonnener Lösung messen. (Bild: U. Düsseldorf)

Das Verfahren ist eigentlich prädestiniert dazu, das Verhalten von Proteinen unter natürlichen Bedingungen zu beobachten. Eine Limitierung führte bis jetzt allerdings dazu, dass NMR-Messungen so ganz „lebensnah“ dann doch nicht waren: Denn im Plasma lebender Zellen sind Proteine von zahllosen anderen Molekülen umgeben. Im Spektro­meter erzeugen diese jedoch ein Hinter­grund­rauschen, in dem die feinen Signale des Ziel­proteins untergehen. Bisher benötigen NMR-Forscher deshalb möglichst pure Proben aus künstlich gereinigtem und hoch­konzentriertem Protein.

Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Manuel Etzkorn am Institut für Physikalische Biologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) hat nun ein Verfahren entwickelt, mit denen sich die Strukturen und Interaktionen der Bio-Moleküle unter wesentlich natürlicheren Bedingungen als bisher sichtbar machen lassen. Damit ermöglicht die Methode neuartige Einblicke in biologische Systeme. Die Forscher nutzten hierfür ein neuartiges NMR-Spektro­meter des Bio­molekularen NMR-Zentrums auf dem Campus des Forschungs­zentrums Jülich.

„Die Proteine werden in aller Regel aus ihrer natürlichen Umgebung herausgenommen, was nicht nur ein aufwändiger Prozess ist, sondern auch zu verfälschten Einblicken führen kann“, sagt Manuel Etzkorn. Der Leiter einer Emmy-Noether-Nachwuchs­gruppe am Düsseldorfer Institut für Physikalische Biologie arbeitet mit seinem Team an neuen Möglichkeiten, um das Potenzial der NMR-Methode für die biologische Forschung noch besser nutzbar zu machen. Gemeinsam mit Kollegen des Max-Planck-Instituts für Molekulare Physiologie in Dortmund sowie der Universitäten Amsterdam und Sofia haben die Forscher nun ein neues Verfahren entwickelt, das das Problem der verrauschten Signale elegant löst. Es gelang ihnen, das NMR-Signal eines Zielproteins in einer direkt aus einer Bakterien­zell­kultur gewonnenen Lösung um ein Vielfaches und dazu noch sehr selektiv zu verstärken.

Der Großteil der Forschung fand dabei am Biomolekularen NMR-Zentrum auf dem Gelände des Forschungs­zentrums Jülich statt, einem der führenden NMR-Zentren in Deutschland. Es wird gemeinsam durch das Düsseldorfer Institut für Physikalische Biologie und das Jülicher Institute of Complex Systems (ICS-6) betrieben. Die Wissenschaftler konnten dort ein neuartiges DNP-verstärktes NMR-Spektro­meter einsetzen, bei dem das Spektrometer mit einem Mikro­wellen­generator verbunden ist. Dieser regt Elektronen von speziellen, von den Forschern zu diesem Zweck modifizierten Molekülen in der Probe an, die ausschließlich an das Ziel­protein binden. Die Anregung der Elektronen überträgt sich dabei auf die Atomkerne des Proteins und führt zu einer enormen Verstärkung des Signals.

Damit lassen sich Daten selbst aus Proben gewinnen, in denen nur geringe Konzentrationen des Proteins in Mischung mit anderen Molekülen vorliegen. Ausgewählte Proteine können also unter Bedingungen, die denen in lebenden Zellen deutlich besser entsprechen, mit atomarer Auflösung untersucht werden. Das vereinfacht nicht nur die Proben­herstellung, da aufwändige Schritte zur Protein-Aufreinigung entfallen, sondern ermöglicht auch, die Einflüsse der natürlichen Umgebung besser zu verstehen. „Die zielgerichtete Verstärkung von Proteinsignalen bietet eine Vielzahl spannender Anwendungen im Bereich der zellulären Struktur­biologie und hat das Potenzial, neuartige Einblicke in komplexe biologische Prozesse zu ermöglich“, sagt Etzkorn.

„Die Entwicklung neuer Methoden für die Struktur­biologie ist Schwerpunkt der Forschung des Biomolekularen NMR-Zentrums“, erklärt Dieter Willbold, Leiter des Zentrums und Direktor des Düssel­dorfer Instituts für Physikalische Biologie und des Jülicher ICS-6. „Das neue Verfahren ist hierzu ein wichtiger Beitrag, der viele neue Möglichkeiten eröffnet.“

U. Düsseldorf / DE

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