Geordneter Elektronenfluss im Isolator
SmB6: Neuartiges Material zeigt Eigenschaften eines topologischen Isolators – geeignet für Spintronik?
Da der Spin eines Elektrons in zwei verschiedene Richtungen weisen kann, ist es möglich, ihn für Anwendungen in elektronischen Geräten zu nutzen. Schon heute werden Leseköpfe, die Daten aus Festplatten auslesen, aus Materialien hergestellt, die einen unterschiedlichen elektrischen Widerstand haben, je nachdem wie die Spins der Elektronen im Strom ausgerichtet sind. In Zukunft könnte es möglich sein, Daten in der Spinausrichtung von Elektronen zu speichern, wobei ein einzelnes Bit einigen wenigen Spins entspricht. Voraussetzung für die Anwendung sind Spin-polarisierte Ströme, in denen die Spins aller Elektronen in die gleiche Richtung weisen. 2005 haben Wissenschaftler die Existenz einer neuen Klasse von Materialien vorausgesagt – der topologischen Isolatoren, die nur an ihrer Oberfläche einen Strom fließen lassen. Dieser Strom ist aus fundamentalen Gründen Spin-polarisiert. Ein solches Material könnte also die polarisierten Ströme liefern, die für spintronische Geräte nötig sind.
Abb.: Die SIS-Strahllinie an der SLS, an der die Eigenschaften von SmB6 untersucht worden sind. Im Bild die PSI-Wissenschaftler Ming Shi, Nicholas Plumb und Nan Xu (von links nach rechts; Bild: PSI, M. Fischer)
Nach der theoretischen Voraussage der topologischen Isolatoren haben Forscher begonnen, intensiv nach Materialien zu suchen, die zu dieser Klasse gehören. Dabei wurden zahlreiche wesentliche Experimente an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts PSI durchgeführt. Wie nun ein Team des PSI, der ETH Lausanne EPFL und des Physikinstituts der Chinesischen Akademie der Wissenschaften gezeigt hat, ist Samariumhexaborid ein toplogischer Isolator. Es ist nicht das erste Beispiel für ein solches Material, aber die Isolatoreigenschaft im Inneren beruht auf einem anderen Effekt als in anderen topologischen Isolatoren: dem Kondo-Effekt. Dieser Effekt macht die Eigenschaften des Materials sehr robust. Damit unterscheidet es sich von den übrigen topologischen Isolatoren, deren Inneres leitend wird, sobald man ihre Struktur oder Zusammensetzung ein wenig ändert.
Abb.: In einem topologischen Isolator fließt Strom nur an der Oberfläche und ist immer Spin-polarisiert. (Bild: PSI, M. Dzambegovic)
Diese Robustheit ist wichtig für Anwendungen solcher Materialien in der Spintronik. Dennoch wird SmB6 vermutlich nicht für die Anwendungen geeignet sein. „Dieses Material wird man voraussichtlich nicht nutzen können, weil es die interessanten Eigenschaften erst bei sehr niedrigen Temperaturen zeigt“, erklärt Ming Shi, der verantwortliche PSI-Wissenschaftler, „aber unsere Experimente zeigen, dass es solche Materialien tatsächlich gibt.“ „Gleichzeitig sind die robusten Eigenschaften von SmB6 grundsätzlich interessant. Sie werden die Grundlage für die Erforschung zahlreicher neuartiger Phänomene bilden“, betont Hugo Dil, Wissenschaftler an der EPFL. Nan Xu vom PSI freut sich: „Wir arbeiten konstant an solchen neuartigen Materialien und versuchen in ihnen weitere exotische Phänomene – wie zum Beispiel die Supraleitung – anzuregen und so neuartige Materialzustände zu erzeugen, die man beispielsweise in Quantencomputern einsetzen könnte.“
Die Forscher haben das Material mithilfe von Synchrotronlicht aus der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS untersucht. In den Experimenten wie denen zum Verhalten von SmB6 beleuchten die Forscher die untersuchte Materialprobe mit Synchrotronstrahlung. Deren Energie wird auf Elektronen übertragen, die daraufhin aus der Probe herausfliegen. Ein Detektor misst dann die Eigenschaften der herausgeschleuderten Elektronen. Das Messergebnis erlaubt es den Forschenden zu bestimmen, wie sich die Elektronen im Inneren des Materials verhalten haben. „Eine besondere Anlage, die nur am PSI verfügbar ist, war für die Messung der Elektronenspins nötig“, erklärt Ming Shi. „Wir mussten auch sicherstellen, dass die Elektronenspins, die wir gemessen haben, wirklich eine innere Eigenschaft des Materials widergespiegelt haben und nicht einfach auf den Einfluss des Lichts zurückzuführen waren. Daher haben wir das Experiment mit verschieden polarisiertem Licht wiederholt und gezeigt, dass die Ergebnisse in allen Fällen mit den Voraussagen für einen topologischen Isolator übereingestimmt haben.“
PSI / OD