30.07.2014

Geordneter Elektronenfluss im Isolator

SmB6: Neuartiges Material zeigt Eigenschaften eines topologischen Isolators – geeignet für Spintronik?

Da der Spin eines Elektrons in zwei verschiedene Richtungen weisen kann, ist es möglich, ihn für Anwendungen in elektronischen Geräten zu nutzen. Schon heute werden Leseköpfe, die Daten aus Festplatten auslesen, aus Materialien hergestellt, die einen unter­schiedlichen elektrischen Widerstand haben, je nachdem wie die Spins der Elektronen im Strom ausgerichtet sind. In Zukunft könnte es möglich sein, Daten in der Spin­ausrichtung von Elektronen zu speichern, wobei ein einzelnes Bit einigen wenigen Spins entspricht. Voraus­setzung für die Anwendung sind Spin-polarisierte Ströme, in denen die Spins aller Elektronen in die gleiche Richtung weisen. 2005 haben Wissen­schaftler die Existenz einer neuen Klasse von Materialien voraus­gesagt – der topolo­gischen Isolatoren, die nur an ihrer Oberfläche einen Strom fließen lassen. Dieser Strom ist aus fundamen­talen Gründen Spin-polarisiert. Ein solches Material könnte also die polari­sierten Ströme liefern, die für spin­tronische Geräte nötig sind.

Abb.: Die SIS-Strahllinie an der SLS, an der die Eigen­schaften von SmB6 untersucht worden sind. Im Bild die PSI-Wissen­schaftler Ming Shi, Nicholas Plumb und Nan Xu (von links nach rechts; Bild: PSI, M. Fischer)

Nach der theoretischen Voraus­sage der topolo­gischen Isola­toren haben Forscher begonnen, intensiv nach Materialien zu suchen, die zu dieser Klasse gehören. Dabei wurden zahlreiche wesentliche Experimente an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des Paul Scherrer Instituts PSI durchgeführt. Wie nun ein Team des PSI, der ETH Lausanne EPFL und des Physikinstituts der Chinesischen Akademie der Wissenschaften gezeigt hat, ist Samarium­hexaborid ein toplo­gischer Isolator. Es ist nicht das erste Beispiel für ein solches Material, aber die Isolator­eigenschaft im Inneren beruht auf einem anderen Effekt als in anderen topologischen Isolatoren: dem Kondo-Effekt. Dieser Effekt macht die Eigen­schaften des Materials sehr robust. Damit unter­scheidet es sich von den übrigen topolo­gischen Isolatoren, deren Inneres leitend wird, sobald man ihre Struktur oder Zusammen­setzung ein wenig ändert.

Abb.: In einem topolo­gischen Iso­lator fließt Strom nur an der Ober­fläche und ist immer Spin-polarisiert. (Bild: PSI, M. Dzam­begovic)

Diese Robustheit ist wichtig für Anwendungen solcher Materialien in der Spin­tronik. Dennoch wird SmB6 vermut­lich nicht für die Anwen­dungen geeignet sein. „Dieses Material wird man voraussichtlich nicht nutzen können, weil es die interes­santen Eigen­schaften erst bei sehr niedrigen Tempera­turen zeigt“, erklärt Ming Shi, der verant­wortliche PSI-Wissen­schaftler, „aber unsere Experimente zeigen, dass es solche Materialien tatsächlich gibt.“ „Gleichzeitig sind die robusten Eigenschaften von SmB6 grundsätzlich interessant. Sie werden die Grundlage für die Erforschung zahlreicher neuartiger Phänomene bilden“, betont Hugo Dil, Wissen­schaftler an der EPFL. Nan Xu vom PSI freut sich: „Wir arbeiten konstant an solchen neuartigen Materialien und versuchen in ihnen weitere exotische Phänomene – wie zum Bei­spiel die Supra­leitung – anzuregen und so neuartige Material­zustände zu erzeugen, die man beispiels­weise in Quanten­computern einsetzen könnte.“

Die Forscher haben das Material mithilfe von Synchrotron­licht aus der Synchrotron Licht­quelle Schweiz SLS untersucht. In den Experi­menten wie denen zum Verhalten von SmB6 beleuchten die Forscher die untersuchte Material­probe mit Synchrotron­strahlung. Deren Energie wird auf Elektronen übertragen, die daraufhin aus der Probe heraus­fliegen. Ein Detektor misst dann die Eigen­schaften der heraus­geschleuderten Elektronen. Das Mess­ergebnis erlaubt es den Forschenden zu bestimmen, wie sich die Elektronen im Inneren des Materials verhalten haben. „Eine besondere Anlage, die nur am PSI verfügbar ist, war für die Messung der Elektronen­spins nötig“, erklärt Ming Shi. „Wir mussten auch sicherstellen, dass die Elektronen­spins, die wir gemessen haben, wirklich eine innere Eigenschaft des Materials wider­gespiegelt haben und nicht einfach auf den Einfluss des Lichts zurück­zuführen waren. Daher haben wir das Experiment mit verschieden polarisiertem Licht wiederholt und gezeigt, dass die Ergebnisse in allen Fällen mit den Voraussagen für einen topologischen Isolator über­eingestimmt haben.“

PSI / OD

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