24.08.2011

Haften auf rauen Oberflächen

DFG-gefördertes Projekt „Adhesion mechanisms in micropatterned dry adhesives with hierarchical structure“ in Saarbrücken gestartet.

Die kleinen gelben Haftnotiz-Zettel sind gängige Begleiter im Büroalltag; sie kleben besonders gut auf glatten Oberflächen wie Fenstern, Spiegeln oder Bildschirmen. Geckos, Insekten und Spinnen können es noch besser: Sie kleben und laufen an Wänden und Decken. Weil die Härchen an ihren Füßen sich immer feiner verzweigen, gehen Geckos auch auf Raufaser die Wand hoch. Am Leibniz-Institut für Neue Materialien INM bilden die Wissenschaftler nun solche hierarchischen Strukturen künstlich nach. Sie wollen damit das Haften speziell auf rauen Oberflächen weiter untersuchen.

Abb.: Die verzweigten Härchen der Geckofüße sind Vorbild für hierarchische Mikrostrukturen. (Bild: U. Bellhäuser / INM)Caption


Im Wesentlichen ist das Haftprinzip erkannt. Es beruht darauf, dass viele dünne Härchen besser haften als ein dickes Haar. Jedoch spielt der Untergrund eine entscheidende Rolle: Bei seinen Streifzügen braucht der Gecko mal die gröberen und mal die feineren Härchen, um gut zu haften und sich auch schnell wieder abzulösen. „Stellen Sie sich einen Besen vor, bei dem sich die Borsten immer feiner und dünner nach unten verzweigen“ erklärt Tobias Kraus, Leiter der Juniorforschungsgruppe Strukturbildung auf kleinen Skalen. „Große Steine kehren Sie mit den groben Borsten weg. Um feinen Staub oder Sand zu entfernen, kehren sie mit weniger Druck, damit die feinen Borsten den Staub erwischen“ so Kraus weiter. Ähnlich ist es auch beim Gecko: Für feine Unebenheiten nutzt er feine Härchen, bei groben Unebenheiten helfen ihm die groben Härchen darunter.

Die Forscher werden die Strukturen dazu mit extra entwickelten Messmethoden auf ihre Klebkraft prüfen. Um zu verstehen, warum hierarchische Strukturen besser haften, nutzen sie auch computergestützte Modelle. „Wir wollen in diesem Projekt herausfinden, wie man hierarchische Strukturen am besten herstellen kann und austesten, was diese Strukturen können – damit verstehen wir, warum Haftung auf rauen Oberflächen überhaupt möglich ist“, erklärt Eduart Arzt, Professor für Neue Materialien an der Universität des Saarlandes, wissenschaftlicher Geschäftsführer des INM und Leiter des Programmbereichs „Funktionelle Oberflächen“.

„Beim heutigen Stand der Technik ist es kein Problem mehr, Strukturen mit nur einer ‚Borstengröße‘ herzustellen,“ sagt Arzt. Dazu verwenden die Wissenschaftler ein Abgussverfahren. Ein flüssiger Kunststoff wird in die Negativform der Borsten eingefüllt und härtet aus. Der fertige Abguss wird dann aus der Form herausgelöst. Das Ergebnis ist eine Oberfläche auf der gleichgroße Borsten regelmäßig angeordnet sind. Dabei ist jede Borste ungefähr so groß wie zehn Grippeviren.

Auch die Verzweigungen in noch feinere Borsten wollen die Forscher mit diesem Verfahren herstellen. „Die Herausforderung besteht darin, diese feinsten Verzweigungen in der Negativform gleichmäßig eng hinzubekommen,“ sagt Kraus. Deshalb nutzen die Wissenschaftler Nanopartikel verschiedener Größen und ätzen damit die Kanäle, die später zu Borsten werden. Nachdem größere Partikel große Kanäle geätzt haben, werden in diese Kanäle kleinere Nanopartikel eingebracht, die dann die nächste Stufe in die großen hinein ätzen. Dabei sind die kleinsten Nanopartikel im Vergleich zu einem Fußball so groß, wie ein Fußball im Verhältnis zur Erde. Beginnend mit der dicksten Borste erhalten die Forscher so Schicht um Schicht immer feinere Verzweigungen.

INM / OD

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