Hessischer Staatsgerichtshof erklärt Studiengebühren für zulässig
Kurz vor der endgültigen Abschaffung der Campusmaut in Hessen hat der Staatsgerichtshof Studiengebühren im Grundsatz für zulässig erklärt.
Wiesbaden (dpa) - Später Sieg für Roland Koch, vorläufige Niederlage für die Studenten: Kurz vor der endgültigen Abschaffung der Campusmaut in Hessen hat der Staatsgerichtshof Studiengebühren im Grundsatz für zulässig erklärt. Eine knappe Mehrheit von sechs der elf Richter befand am Mittwoch in Wiesbaden, das 2007 eingeführte Studienbeitragsgesetz der CDU verstoße nicht gegen die hessische Verfassung.
Auch wenn die Regierung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sich von dem Spruch bestätigt sieht, will die Landtagsmehrheit von SPD, Grünen und Linken die Studiengebühren von 500 Euro je Semester mit einem neuen Gesetz wieder abschaffen. Es soll am kommenden Dienstag (17. Juni) endgültig verabschiedet werden.
Das hessische Verfassungsgericht zeigte sich bei den Studiengebühren ähnlich gespalten wie der Landtag. Gegen das Gesetz hatten nicht nur SPD, Grüne und die frühere Landesanwältin Ute Sacksofsky geklagt. Eine Protestbewegung von Studenten und Gewerkschaften brachte mehr als 70 000 Unterschriften für eine Volksklage zusammen.
Die CDU und FDP nahe stehende Richtermehrheit ging weniger auf den Grundsatz in Artikel 59 der Landesverfassung ein, dass Unterricht an öffentlichen Schulen unentgeltlich sein muss. Dies sei kein Grundrecht, sondern ein «Sozialrecht», das ausgestaltet werden könne, erläuterte Richterin Karin Wolski. Sie ging vor allem auf die Möglichkeit in Artikel 59 ein, ein «angemessenes Schulgeld» zu erheben, sofern die «wirtschaftliche Lage des Schülers» dies erlaubt.
Das umstrittene Gesetz sieht günstige Kredite zur Finanzierung der Studienbeiträge vor. Auf diese «soziale Abfederung» verwies die Richtermehrheit: Die Darlehen versetzten auch ärmere Studenten wirtschaftlich in die Lage, ein Studium aufzunehmen. Hochschulabsolventen hätten auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen auf ein höheres Einkommen, sagte Wolski. «Das war einmal», entrüsteten sich zuhörende Studenten.
Ganz anders das abweichende Votum der fünf Richter, die SPD und Grünen zugerechnet werden: «Wenn in der Hessischen Verfassung steht "Der Unterricht ist unentgeltlich", dann bedeutet das "Es kostet nichts" und nicht "Du kannst es später abzahlen"», sagte Richter Klaus Lange. Die Studenten im Saal applaudierten lautstark, was Lange als neu gewählter Präsident des Staatsgerichtshofes pflichtschuldig unterbinden musste. Es sei widersinnig, wenn die Mehrheit die Darlehensschulden als Verbesserung der wirtschaftlichen Lage von Studenten werteten, sagte er.
Nach Ende der Urteilsverlesung ließen die unterlegenen Kläger ihrem Ärger freien Lauf. Der Studentenvertreter Mike Josef kündigte Demonstrationen an, bis die Studiengebühren endgültig abgeschafft sind. Auch von den Studentenvertretungen der hessischen Hochschulen hagelte es Protestaufrufe und Kritik an den Richtern. Nach Logik des Gerichts könne man auch Hartz-IV auf Kredit zahlen, höhnte der hessische DGB-Vorsitzende Stefan Körzell. Gleichzeitig meinte er: «Wir sollten uns nicht entmutigen lassen.» Die Studiengebühren würden fallen.
«Das Studienbeitragsgesetz ist ein sorgfältig ausgearbeitetes, sozial ausgewogenes Gesetz, das im Einklang mit der Hessischen Verfassung steht», erklärte der Wissenschaftsstaatssekretär Ralph Alexander Lorz (CDU). Doch er gestand ein, dass eine andere Mehrheit die Frage politisch auch anders entscheiden könne. SPD, Grüne und Linke bekräftigten trotz des Richterspruchs ihr Vorhaben, die Gebühren zum kommenden Wintersemester abzuschaffen. Das hatten sie bereits vergangene Woche als Gesetz beschlossen. Weil ein zentraler Passus fehlte, weigerte sich Ministerpräsident Koch, das Dokument in Kraft zu setzen. Der Landtag will den Text bei einer Sondersitzung am 17. Juni in korrigierter Fassung beschließen.
Von Friedemann Kohler, dpa