Mit der Umsetzung der Energiewende steigt der Stromanteil aus fluktuierenden erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne. Das erfordert den Ausbau von Stromspeicherkapazitäten und ein flexibel reagierendes Energiemanagement. Forscher des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme haben gemeinsam mit Partnern auf der Nordseeinsel Borkum einen hybriden Energiespeicher aufgebaut, der aus einer Lithium-Ionen-Batterie und einem Superkondensator für kurzzeitige Leistungsanforderungen besteht. Der hybride Speicher wird mittels eines neuartigen modularen Wechselrichters an das Mittelspannungsnetz angekoppelt. Während eines einjährigen Feldtests prüfen und vergleichen die Forscher verschiedene Regelungsansätze im Energiemanagementsystem.
Abb.: Installation des Batteriespeichersystems auf Borkum. (Bild: Fh.-ISE)
Im Rahmen des EU- Projekts NETfficient wird auf Borkum das Stromverteilnetz mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien und diversen Speichertechnologien ausgestattet. Die im Projekt entwickelten Lösungen für Energie-Autonomie werden unter realen Bedingungen getestet, um sie später auf andere Regionen übertragen zu können. Die räumlich verteilten Speicher und Erzeuger werden in ein Smart Grid eingebunden und von einem intelligenten Energie- und Netzmanagementsystem gesteuert. Vierzig Heim-Speicher, fünf Gewerbespeicher, ein thermischer Speicher und ein hybrider Energiespeicher sind in das Mittelspannungsnetz integriert.
„Neben der 500-kWh-Lithium-Ionen-Batterie ist eine der wichtigsten Komponenten im System der am Fraunhofer-ISE entwickelte Batteriewechselrichter. Er hat eine Gesamtleistung von einem Megawatt und besteht aus hochkompakten und besonders dynamischen Untereinheiten mit einer Leistung von je 125 kW. Dadurch lassen sich alle beliebigen Systemgrößen bis in den Multi-Megawatt-Bereich realisieren", sagt Olivier Stalter vom Fraunhofer-ISE. Zusätzlich zur Lithium-Ionen-Batterie wird über eine weitere Leistungselektronik ein Superkondensator als Kurzzeitspeicher eingebunden. Dieser federt Leistungsspitzen ab und verlängert damit die Lebensdauer der Batterie.
„Der vom Fraunhofer-ISE entwickelte Wechselrichter kann durch eine deutlich erhöhte Schaltfrequenz schneller auf Schwankungen im Stromnetz reagieren als kommerziell erhältliche Geräte und eignet sich daher als sehr schnelle Primärreserve, für die Reduzierung von Spitzenlasten sowie für Eigenverbrauchslösungen im Industriemaßstab. Der Megawatt-Wechselrichter ist um den Faktor zwei bis vier kleiner als aktuell verfügbare Vergleichsgeräte“, erklärt Stefan Schönberger vom Fraunhofer-ISE. Möglich wurde das durch den Einsatz modernster Siliciumkarbid-Halbleiter sowie durch einen optimierten Aufbau von Leiterkarten, Filterelementen sowie verschiedenen Kühlmethoden. Um die extrem schnellen Schaltgeschwindigkeiten realisieren zu können und die daraus entstehenden Überspannungen an den Halbleitern klein zu halten, wurde eine speziell dafür optimierte Dickkupferleiterkarte mit ausschließlicher Verwendung von Folienkondensatoren realisiert. Für die optimale Kühlung sorgt hauptsächlich ein Flüssigkeitskühler. Um die Drosseln sowohl kompakt als auch verlustarm zu realisieren, wurde ein hochwertiges Pulverkernmaterial in Tablettenbauform verwendet.
Die Regelung der Leistungselektronik beruht auf einer neuen modellbasiert vorausschauenden Regelung. Durch die Messung aller relevanten Ströme und Spannungen im System und die modellbasierte Vorhersage zukünftiger Zustände kann diese gegenüber den bisher üblichen Stromreglern deutliche Leistungsgewinne erzielen. Neben der Leistungselektronik haben die Forscher des Fraunhofer-ISE auch das Energiemanagementsystem für das hybride Energiespeichersystem entwickelt, wobei das am Institut entwickelte Energiemanagement-Software-Framework OpenMUC zum Einsatz kam. Angesichts des modularen Aufbaus und der Vielzahl an Kommunikationsmöglichkeiten wird OpenMUC verwendet, um Batteriespeicher, Superkondensator und Wechselrichter zu steuern und sicherheitsrelevante Parameter zu überwachen. Mit neuartigen Algorithmen teilt das Energiemanagementsystem im Feldtest die Leistung zwischen Batterie und Superkondensator auf. Untersucht werden zwei verschiedene Ansätze mit unterschiedlichen Parametern und Nachladestrategien. Die mittelfristige Einsatzplanung wird von den Projektpartnern mittels einer Erzeugungs- und Verbrauchsvorhersage und durch die Einbindung in die Plattform zur Steuerung der verteilten Systeme gewährleistet.
Weitere Entwicklungen aus dem Fraunhofer-ISE, die in das Projekt einfließen, sind neue Geschäftsmodelle für Speichersysteme, wie die solare Eigenversorgung, das Peak Shaving – also die Reduzierung des Leistungspreises – sowie für Regelenergiemärkte und die Kontrolle von Leistungsgradienten sowie Blindleistungsbereitstellung im Niederspannungsnetz. Das 2015 gestartete Projekt NETfficient läuft vier Jahre lang und wird im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms Horizon 2020 der Europäischen Union gefördert.
Fh.-ISE / RK