04.12.2025 • Kondensierte Materie

Hyperschallwellen mit kurzen Lichtpulsen in Perowskiten erzeugt

Team in Dortmund und Le Mans hat Scherwellen mit außergewöhnlich großer Amplitude in Metall-Halogenid-Perowskiten generiert.

Ein internationales Team der TU Dortmund, der Universität Würzburg und der Le Mans Université hat gezeigt, dass ultrakurze Lichtpulse in Metall-Halogenid-Perowskiten Scherwellen mit außergewöhnlich großer Amplitude erzeugen können. Das verwendete Material ist bisher vor allem für die Erzeugung von Solarenergie von Interesse. Die neuen Erkenntnisse eröffnen eine Anwendung für optisch gesteuerte Bauelemente zur Erzeugung und Detektion von Hyperschallwellen mit Sub-Terahertz-Frequenzen, die sich potenziell in elektronischen, photonischen, magnetischen und biomedizinischen Systemen einsetzen lassen.

Ein Kristall des bleifreien Doppelperowskits Cs₂BiAgBr₆, in dem die Physiker unter Femtosekunden-Laseranregung die Erzeugung von Scher-Hyperschallimpulsen beobachtet haben.
Ein Kristall des blei­freien Dop­pel­perows­kits Cs₂BiAgBr₆, in dem die For­schen­den unter Femto­sekunden-Laser­anre­gung die Er­zeu­gung von Scher-Hyper­schall­impul­sen beob­ach­tet haben.
Quelle: Dirk Schemionek / TU Dortmund

In Kristallen können neben longitu­dinalen Schall­wellen auch andere Arten existieren: Scherwellen, bei denen sich Atome seitlich verschieben – ähnlich dem Verschieben eines Karten­stapels oder den Erschüt­terungen bei Erdbeben. Scher­wellen sind daher ein Werkzeug, um die innere Struktur und Dynamik von kristal­linen Materi­alien zu erforschen, weit über die Möglichkeiten herkömmlicher akustischer Techniken wie Ultra­schall hinaus. Besonders interessant ist, dass Scherwellen eine Vektor­natur besitzen, was die Kontrolle ihrer Polarisation erlaubt. Durch Kombination orthogonaler Polarisa­tionen können zirkular polarisierte, sogenannte chirale akustische Wellen erzeugt werden, die sich mit dem Spin – und damit den magne­tischen Freiheits­graden – in Materialien koppeln können. Zudem besitzen Scher­wellen aufgrund ihrer geringeren Geschwindigkeit bei gleicher Frequenz eine kürzere Wellen­länge, was eine höhere räumliche Auflösung in der akustischen Bild­gebung und bei Messungen auf der Nanoskala ermöglicht. Die Erzeugung von Scherschall ist jedoch heraus­fordernd, insbesondere für ultraschnelle Akustik mit Sub-Terahertz-Frequenzen, wie es für zukünftige elektronische und optoelektronische Geräte erforderlich ist. Unter den möglichen Methoden gilt der Einsatz ultra­schneller Femto­sekunden-Licht­impulse als einer der viel­verspre­chends­ten Ansätze.

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Malte Göttsche, Matthias Englert, Madalina Wittel und Simon Hebel • 7/2020 • Seite 28

Sicherheit durch Verifikation

Vor diesem Hintergrund untersuchten die Forschenden, inwiefern sich ein Doppelperowskit-Halb­leiter­material für ultra­schnelle Akustik verwenden ließe. Die Wahl fiel auf dieses Mate­rial, weil es über heraus­ragende optische und struktu­relle Eigen­schaften verfügt. Einer­seits zeigen Perows­kite exzel­lente optische Eigen­schaften, weshalb sie großes Inte­resse im Bereich der Photo­voltaik geweckt haben. Beson­ders anorga­nische und blei­freie Doppel­perows­kite gelten dabei als attrak­tive Material­platt­form, da sie ungiftig und stabil sind. Anderer­seits zeichnen sich diese Materi­alien durch ausge­prägte struktu­relle Phasen­über­gänge – etwa von kubisch zu tetra­gonal – und durch starke Elektron-Gitter-Wechsel­wirkungen aus.

Hyperschallwellen im blei­freien Doppel­perowskit Cs2BiAgBr6 wurden mithilfe der Pump-Probe-Brillouin-Spektro­skopie unter­sucht. Dabei erzeugt ein 100-Femto­sekun­den-Laser­puls (Pump) mit einer Energie ober­halb der Band­lücke – also in einem stark absor­bie­ren­den Bereich – eine kurze akusti­sche Welle. Ein zweiter Laser­puls (Probe) misst anschließend, wie sich diese Welle im Mate­rial aus­brei­tet. Die durch den Pump­puls erzeugte Dehnungs­welle verän­dert die di­elektri­schen Eigen­schaften des Kris­talls und zeigt sich als charak­teris­tische Oszil­latio­nen im reflek­tier­ten Proben­puls. Die Experi­mente zeigten deutlich die Existenz eines Scher­impulses, der gemein­sam mit dem longi­tudi­nalen Impuls propa­giert – ein klares Zeichen für eine effiziente Erzeu­gung von Scher-Hyperschall­wellen.

Das Team stellte fest, dass starke Scher-Hyper­schall­wellen nur dann auftreten, wenn sich der Kristall in seiner tetra­gonalen Phase befindet, einem Zustand, in dem das Atom­gitter entlang einer Rich­tung leicht ver­zerrt ist. In dieser Phase führt die optische Anregung zu einer ungewöhn­lichen an­isotro­pen Aus­dehnung der Atome: Das Kristall­gitter dehnt sich in einer Richtung aus, während es sich in einer anderen zusammen­zieht. Wichtig ist, dass dieser Effekt nicht thermi­scher Natur ist: Er entsteht nicht durch Erwärmung des Gitters, sondern durch den gerichteten Druck der durch den Laserpuls erzeugten Ladungsträger. Diese Ergeb­nisse sind daher ein Schritt hin zu einer präzisen Kontrolle optisch erzeugter Hyperschall­wellen dar und ebnen den Weg für zukünf­tige perowskit­basierte opto­akustische Bau­elemente im Sub-THz-Bereich. [TU Dortmund / dre]

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