Interdisziplinäre Expertise auf einem Chip vereinigt
Optoelektronische und photonische Messverfahren im Einsatz gegen chronisch-entzündliche Atemwegserkrankungen.
Eine Sensorplattform soll akute, anfallartige Verschlimmerungen chronisch-entzündlicher Atemwegserkrankungen vorhersagen. Daran arbeiten neun Leibniz-Institute gemeinsam im Pilotprojekt „EXASENS“. Der Verbund wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 6,25 Millionen Euro gefördert. In den kommenden drei Jahren wollen die Wissenschaftler an einem Vor-Ort-Diagnostik-System zur Vorhersage und Diagnostik der chronisch-entzündlichen Atemwegserkrankungen Asthma und chronisch obstruktive Lungenerkrankung COPD forschen. Von besonderer Brisanz für die Patienten sind akute, anfallartige Verschlimmerungen – Exazerbationen – der Erkrankungen, die zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen können. Ein exaktes Monitoring des Krankheitszustandes und eine frühzeitige Diagnostik sich anbahnender Exazerbationen ist essentiell für eine verbesserte Lebensqualität und die optimale Behandlung des Patienten. Herkömmliche Verfahren basieren auf Lungenfunktionstests und der subjektiven Einschätzung durch einen erfahrenen Arzt. Die so gewonnenen Ergebnisse sind jedoch nicht spezifisch genug, um die Ursache der Exazerbation zu diagnostizieren, Vorhersagen zu treffen und frühzeitig individuell abgestimmte Therapiemaßnahmen einzuleiten.
Das Projekt „EXASENS“ soll diese diagnostische Lücke schließen. Dazu werden zunächst potentielle Auslöser von Exazerbationen, wie zum Beispiel Bakterien, Viren, Pilzsporen oder auch Stäube, mit optoelektronischen und photonischen Messverfahren charakterisiert und spezifische Indikatoren definiert, welche eine zuverlässige Vorhersage von Exazerbationen erlauben. Parallel dazu wird eine modular aufgebaute Kartusche entwickelt, in der alle erforderlichen Schritte zur Aufbereitung und Analyse von Patientenproben durchgeführt werden können. Die Wissenschaftler legen dabei den Fokus auf Lab-on-a-Chip-Technologien. Durch die Kombination mehrerer Cent-Stück-großer Chips mit unterschiedlicher Funktionalität entsteht eine Messplattform, die dem Nutzer innerhalb kurzer Zeit krankheitsspezifische Informationen liefern wird. Die komplexen Abläufe der Analyse etwa von Speichelproben werden in einem intuitiv zu bedienenden Gerät integriert, das in der Arztpraxis oder zu Hause anwendbar ist. Mediziner können so eine Verschlimmerung im Krankheitsverlauf frühzeitig und ursachenspezifisch erkennen und individuelle Therapiemaßnahmen einleiten.
Aufgrund der kompakten Bauweise und einfachen Handhabung eignet sich die Technologie auch für telemedizinische Anwendungen. Betroffenen Patienten wird es ermöglicht, den Krankheitsverlauf selbstständig und verlässlich zu überwachen und die Testergebnisse online an den behandelnden Hausarzt oder eine Klinik zu übermitteln. Die Anzahl nicht erforderlicher ambulanter oder gar notfallmedizinischer Behandlungen und die dadurch entstehenden Kosten für das Gesundheitssystem können drastisch reduziert werden. „Die gezielte interdisziplinäre Zusammenarbeit von Instituten aus unterschiedlichen Sektionen der Leibniz-Gemeinschaft versetzt uns in die Lage, ein Thema entlang der Innovationskette von der Grundlagenforschung bis hin zur Vermarktung von Lösungen und Verfahren durch Industriepartner bearbeiten zu können“, sagt Jürgen Popp, Koordinator des Projekts und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien. Darüber hinaus wird durch die enge Zusammenarbeit der Leibniz-Institute mit Kliniken und Einrichtungen der biologischen und medizinischen Forschung eine Validierung der erforschten Technologien ermöglicht. Die zukünftige Einbindung von Unternehmen wird zur schnellen Überführung der Sensorplattformen in alltagstaugliche Anwendungen führen.
LIPT / RK