22.12.2011

Kältere Quantengase durch Entropie-Entzug

Forscher rücken dem absoluten Nullpunkt näher – neue Kühltechnik für Entwicklung von Supraleitern und Quantencomputern.

Bis auf einige Nanokelvin kommen Physiker heute dem absoluten Temperatur-Nullpunkt nahe. Noch kälter könnte es mit einer neuen Kühlmethode werden, die deutsche und amerikanische Forscher nun entwickelt haben. Sie wollen über ein geschicktes Verfahren einem Quantengas Entropie entziehen und so bis in den Picokelvin-Bereich vorstoßen. Das Verfahren könnte der Entwicklung neuer Supraleiter und dem Bau von extrem leistungsfähigen Quantencomputern von Nutzen sein.

Abb.: Quantengas unter dem Mikroskop: Jeder Leuchtpunkt entspricht einem gefangenen Rubidium-Atom, (Bild: M. Greiner, Harvard University)

„Für die nächste Generation von Quantenmaterialien haben wir eine neue, smarte Kühltechnik, die über Quantenoperationen die Temperatur von ultrakalten Atomen weiter senken kann, demonstriert“, sagt Markus Greiner, Leiter der Arbeitsgruppe an der Harvard University in Cambridge. Ausgehend von einem Bose-Einstein-Kondensat aus Rubidium-Atomen zeigten Greiner und seine Kollegen, dass einem Quantengas über das geschickte Variieren von Laserpulsen und Potenzialmulden gezielt Entropie entzogen werden konnte.

Begleitet von quantenmechanischen Berechnungen belegten die Physiker in ihrem Experiment, dass zusätzlich zu verfügbaren Kühltechniken via Laser, Magnetfelder oder Verdunstung ein algorithmisches Kühlen von Quantengasen möglich ist. Für die neue Methode („Orbital excitation blockade“, OEB) sperrten sie Rubidiumatome in Potenzialtöpfe eines zweidimensionalen Gatters aus Laserstrahlen. Befanden sich nun beispielsweise noch zwei Atome in einer solchen Falle, regten sie dieses System gezielt mit weiteren Laserpulsen an. Dadurch hoben sie ein Atom in einen höheren Anregungszustand und übertrugen diesem so Entropie des zweiten Atoms, das im Grundzustand verharrte.

Abb.: Grafik: Prinzip der "algorithmischen" Kühlung. (Bild: M. Greiner, Harvard University)

In einem zweiten Schritt verringerten sie danach die Tiefe des Potenzialtopfs durch eine Variation der Laserfelder. Das angeregte Atom konnte dadurch aus dieser Falle entweichen und zurück blieb das einzelne Atom im Grundzustand, dass durch den Entzug von Entropie prinzipiell bis in den Picokelvin-Bereich abgekühlt werden könnte. Sichtbar wurden diese Vorgänge unter einem speziellen Fluorenzenzmikroskop, dass die Gruppe um Markus Greiner eigens für die Untersuchung ultrakalter Quantengase entwickelt hat.

Tiefgekühlte Atome offenbaren den Physikern grundlegende Quantenphänomene. Daher könnte die neue Kühltechnik nicht nur das Verständnis der Prozesse in supraleitenden Werkstoffen verbessern, sondern auch dem Bau von extrem leistungsfähigen Quantencomputern weitere Impulse liefern. „Das Picokelvin-Regime ist ein wichtiges Ziel für gefangene Atome, dass durch die Technik dieser Autoren erreicht werden könnte“, beurteilt Gretchen K. Campbell von der University of Maryland die neue Kühltechnik in einem parallel veröffentlichten Kommentar.

Jan Oliver Löfken

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