28.01.2016

Kaltes Kollektiv

Übergang von klassischem zu Quantenregime in ultrakaltem Atomgas mit Zustandsgleichung bestimmt.

Mit einem Laborexperiment ist es Physikern am Zentrum für Quanten­dynamik der Universität Heidelberg gelungen, die sogenannte Zustands­­gleichung für ein Atomgas zu bestimmen. Mit ihr lassen sich die thermo­dynamischen Eigenschaften dieses physikalischen Systems exakt beschreiben. Nach Angaben von Tilman Enss und Selim Jochim schafft diese Gleichung die Grundlage für weitere Experimente mit ultrakalten Atomen, die auf ein besseres Verständnis von Mechanismen der Supra­leitung, also des verlust­freien Transports von elektrischen Strömen, zielen.

Abb.: Ein externes Magnetfeld kontrolliert die Wechselwirkung zwischen zwei ultrakalten Atomen. (Bild: APS / A. Stonebraker)

„Jeder kennt den Effekt, dass die Luft dünner wird, wenn man auf einen hohen Berg steigt. In der Physik wird dieser Effekt durch eine Zustands­gleichung beschrieben“, erläutert Enss vom Institut für Theoretische Physik. „Das gleiche Prinzip gilt in vielen Bereichen der Physik – von der Verteilung der Materie im Aufbau der Sterne bis hin zu Atomgasen, die wir neuer­dings im Labor herstellen können“, betont Jochim, der am Physikalischen Institut forscht. Am Zentrum für Quantendynamik haben die Wissen­schaftler nun die theoretischen Berechnungen von Tilman Enss und die von Selim Jochim aus Experimenten gewonnenen Erkenntnisse zusammengeführt. Im Mittel­punkt stand dabei ein auf eine Temperatur nahe dem absoluten Temperatur­nullpunkt gekühltes Atomgas.

Solche Gase sind für Physiker deshalb so interessant, da bei extrem niedrigen Temperaturen die Effekte der Quanten­physik besonders deutlich zutage treten. Bei Fermionen können zwei Atome niemals denselben Zustand einnehmen oder sich am selben Ort aufhalten. „Die Fermionen üben einen Druck auf gleichartige Teilchen aus und schieben sie beiseite, so dass die Dichte in einer Atomwolke nie zu groß wird“, sagt Jochim, dessen experimentelle Arbeits­gruppe diesen Effekt mit Hilfe von Lithium­atomen beobachten konnte. Der Druck zwischen den Fermionen führt dazu, dass die Atomwolke dünn und weit ausgedehnt ist.

Wissenschaftler in der theoretischen Physik haben sich schon lange mit der Frage beschäftigt, wie sich die Dichte des Gases ändert, wenn zusätzlich eine Anziehungs­kraft zwischen den Fermionen besteht. Diese wirkt dem Druck der Fermionen entgegen und bringt die Teilchen näher zusammen. „Bei hinreichender Anziehung bilden jeweils zwei Fermionen ein Paar. Nach den Regeln der Quanten­physik können sich solche Moleküle nun viel näher kommen als die ursprünglichen Fermionen. Wie genau dies für Teilchen geschieht, die sich in einer Ebene bewegen, ist eine wichtige aktuelle Frage“, erklärt Enss. Die Atomgase sind auch deshalb von großem Interesse für die Forschung, da sie viele universelle Eigenschaften aufweisen, die sich in ganz anderen physikalischen Situationen wiederfinden. So kann man aus der Zustands­gleichung eines Atomgases zum Beispiel Rückschlüsse über den Aufbau bestimmter Sterne ziehen.

Wie die Zustandsgleichung von der Anziehung der Teilchen abhängt, lässt sich im Experiment besonders gut mit ultrakalten Atomen messen. Für sie lässt sich künstlich eine Anziehungs­kraft von nahezu beliebiger Stärke erzeugen. Selim Jochim konnte mit seiner Arbeits­gruppe beobachten, dass sich bei starker Anziehung in der Mitte der Atomwolke ein dichterer Kern herausbildet. Die theoretischen Physiker Tilman Enss und Igor Boettcher haben nun aus der Analyse der experimentellen Daten die Zustands­gleichung rekonstruiert. Sie konnten damit ihre eigenen theoretischen Vorhersagen bestätigen. Dabei sind die Forscher insbesondere an der Situation interessiert, in der sich die Atome in einer Ebene bewegen. Das Atomgas weist dann Ähnlichkeit mit geschichteten Materialien auf, die auch bei relativ hoher Temperatur supraleitend sind. Die nun bestimmte Zustands­gleichung ist nach Angaben der Heidelberger Forscher eine Grundlage für künftige Experimente, mit denen die Mechanismen der sogenannten Hochtemperatur-Supraleitung besser verstanden werden sollen.

U. Heidelberg / DE

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