04.12.2025

Keine Hinweise auf sterile Neutrinos

Ergebnisse des KATRIN-Experiments und der MicroBooNE-Kollaboration bestätigen das Standardmodell der Teilchenphysik.

In den 1990er-Jahren zeigte ein Experiment in den USA bei der Untersuchung von Neutrino-Oszillationen mehr Teilchenwechselwirkungen als theoretisch vorhergesagt. Eine populäre Erklärung für dieses ungewöhnliche Ergebnis war die Annahme einer vierten Neutrino-Art, den sterilen Neutrinos. Dieses hypothetische Teilchen wäre jedoch noch schwerer nachweisbar als seine bekannten „Verwandten“ und würde lediglich auf die Schwerkraft reagieren. „Mit der damals verfügbaren Detektortechnologie waren Neutrinos jedoch weniger zuverlässig messbar. Aus diesem Grund entstand 2007 die Idee für das MicroBooNE-Experiment“, sagt Michele Weber, Direktor des Laboratoriums für Hochenergiephysik (LHEP) und ehemaliger wissenschaftlicher Leiter des MicroBooNE-Experiments am Fermilab. Eine zweite Studie beruht auf Messungen des KATRIN-Experiments in Karlsruhe, das dort seit 2019 Tritium-β-Zerfallsspektrum mit unübertroffener Präzision misst.

Die neusten Resultate von MicroBooNE zeigen keine Hinweise auf sterile Neutrinos. Die Ergeb­nisse entspre­chend damit den Resultaten des MicroBooNE-Experi­ments aus dem Jahr 2021 (Link s. Kasten). Mit diesem neuen Ergeb­nis konnte MicroBooNE mit 95-prozen­tiger Sicherheit eine Erklä­rung der Anomalien in früheren Experimenten durch ein einziges steriles Neutrino aus­schließen. „Eine Entdeckung ist natürlich immer span­nender, aber die Ergebnisse sind damit nicht weniger aussagekräftig oder bedeut­sam. Sie zeigen, wozu moderne Neutrino-Detektoren heute in der Lage sind, und beantworten defi­nitiv eine fundamentale Frage in der Physik“, erklärt Weber. „Die Ergeb­nisse werden die Physike­rinnen und Physiker dazu motivieren, nach möglichen weiteren Erklärungen für die Anomalien zu suchen“, so Weber weiter.

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Präzise eingefangen

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Existenz weiterhin fraglich

KATRIN detektierte über 259 Messtage hinweg 36 Millionen Elek­tronen und die Forschenden ver­glichen diese Daten mit einem β-Zerfallsmodell. Dabei konnte eine Mess­genauig­keit im Sub-Prozent-Bereich erreicht werden. Es wurden keine Hinweise auf ein steriles Neutrino gefunden. Das Ergeb­nis schließt daher einen großen Teil des möglichen Para­meter­raums aus, der durch frühere Anoma­lien in Mess­daten vermutet wurde: kleine, aber signifi­kante Mess-Defizite, die in Reaktor-Neutrino- und Gallium­quellen-Experi­menten beob­achtet wurden und auf einen vierten Neutrino-Zustand hin­deu­teten. Es schließt zudem auch die Ergeb­nisse des Neutrino-4-Experi­ments vollständig aus, das Hin­weise auf ein solches Signal gemeldet hatte. Mit einem ausge­zeich­neten Signal-zu-Hinter­grund-Verhältnis, das sicher­stellt, dass nahezu alle detek­tierten Elek­tronen aus dem β-Zerfall von Tritium stammen, erreicht KATRIN eine bemer­kens­wert klare Mes­sung der Spektral­form. Im Gegen­satz zu Oszil­lations­experi­menten unter­sucht KATRIN die Energie­verteilung der Neutrinos am Ent­stehungs­ort. Aufgrund dieser unter­schied­lichen Nachweis­methoden ergänzen sich die beiden Mess-Ansätze und liefern so einen aus­sage­kräftigen Test, der die Hypo­these der sterilen Neu­trinos widerlegt.

„Unser neues Ergebnis ergänzt Reaktor­experimente wie STEREO in vollem Umfang“, erklärt Thierry Lasserre vom MPI für Kern­physik in Heidel­berg, der die Analyse des Ergeb­nisses leitete. „Während Reaktor­experi­mente am empfindlichsten für steril–aktive Massen­diffe­renzen unterhalb weniger eV2 sind, unter­sucht KATRIN den Bereich von wenigen bis zu mehreren hundert eV2. Zusam­men schließen die beiden Ansätze nun konse­quent leichte sterile Neutrinos aus, die sich nach­weis­bar mit den bereits bekannten Neutrino­arten vermischen würden.“

Da die Datenerfassung bis 2025 fortgesetzt wurde, wird die Empfind­lich­keit von KATRIN weiter zunehmen, und so eine noch genau­ere Suche nach leichten sterilen Neutrinos ermög­lichen. „Bis zum Ab­schluss der Daten­erfas­sung im Jahr 2025 wird KATRIN mehr als 220 Millionen Elektronen im rele­vanten Bereich aufge­zeichnet haben, wodurch sich die Sta­tis­tik um mehr als das Sechs­fache erhöht“, sagt KATRIN-Co-Spreche­rin Kathrin Valerius vom KIT. „Dadurch können wir die Grenzen der Präzision erweitern und Mischungs­winkel unterhalb der derzei­tigen Limits untersuchen.“ Im Jahr 2026 wird das KATRIN-Experi­ment mit dem TRISTAN-Detek­tor aufgerüstet, der das gesamte Tritium-β-Zerfalls­spektrum mit beispiel­loser Statis­tik aufzeichnen kann. Durch die Umge­hung des Haupt­spektro­meters und die direkte Messung der Elek­tronen­energien wird TRISTAN die Reich­weite von KATRIN auch auf größere Massen der sterilen Neutrinos ausweiten. „Damit werden wir ein neues Fenster zum keV-Massen­bereich öffnen. In diesem Bereich könnten sterile Neutrinos sogar einen Bau­stein der dunklen Materie im Universums darstellen“, sagt Co-Sprecherin Susanne Mertens, Direk­torin am MPI. [MPIK / U Bern / FNAL / dre]

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