27.10.2021 • Teilchenphysik

Keine Spur von sterilen Neutrinos

Erste Ergebnisse der MicroBooNE-Kollaboration geben keinen Hinweis auf die Existenz der Elementarteilchen.

Bisher sind drei Arten von Neutrinos bekannt. Jedoch vermuteten Physiker eine bisher unentdeckte vierte Art von Neutrinos – sterile Neutrinos – als viel­ver­sprechende Erklärung für bestimmte Anomalien in früheren Experi­menten. Neue Ergebnisse des MicroBooNE-Experi­ments am Teilchen­physik-Forschungs­zentrum Fermilab versetzen den theoretischen Elementar­teilchen nun jedoch einen Schlag: Vier komplementäre Studien der inter­nationalen MicroBooNE-Kolla­bo­ration zeigen keinen Hinweis für die tatsäch­liche Existenz der sterilen Neutrinos. Statt­dessen stimmen die Ergebnisse mit dem Standard­modell der Teilchen­physik überein, der bisher besten physi­ka­lischen Theorie über die Funktions­weise des Universums. Die Resultate wurden am 27. Oktober im Rahmen eines Seminars vorgestellt.

Abb.: Ein von MicroBooNE auf­ge­zeich­netes Elek­tron-Neu­trino-Ereignis....
Abb.: Ein von MicroBooNE auf­ge­zeich­netes Elek­tron-Neu­trino-Ereignis. (Bild: MicroBooNE Colla­bo­ra­tion)

„Wir haben sehr umfassende Unter­suchungen mehrerer Arten von Neutrino-Wechsel­wirkungen durch­ge­führt. Alle sagen uns dasselbe: Es gibt keine Hinweise für die Existenz von sterilen Neutrinos“, sagt Michele Weber, wissen­schaft­licher Leiter des MicroBooNE-Experiments und Professor für experi­mentelle Teilchen­physik der Universität Bern.

Neutrinos gibt es in drei bekannten Arten: dem Elektron-, Myon- und Tau-Neutrino. Sie können zwischen diesen Arten auf besondere Weise hin- und herwechseln, was als „Neutrino-Oszillation“ bezeichnet wird. In den 1990er Jahren wurden bei einem Experiment zur Unter­suchung dieser Neutrino-Oszillation mehr Teilchen­wechsel­wirkungen beobachtet als theoretisch erwartet. Die Existenz einer vierten Neutrino-Art, den sterilen Neutrinos, wurde eine beliebte Erklärung dieser seltsamen Ergebnisse. Dieses hypo­thetische Teilchen wäre jedoch noch schwerer zu fassen und würde nur auf die Schwerkraft reagieren. Mit der damaligen Detektor-Technologie war es nicht möglich, ein solches Neutrino nach­zu­weisen. Daher wurde 2007 die Idee zu MicroBooNE geboren.

Seit 2015 ist MicroBooNE in Betrieb. Der Detektor kann präzise 3D-Bilder von Neutrino­ereignissen aufnehmen und so die Wechsel­wirkungen im Detail studieren. Die ersten drei Jahre der Daten von MicroBooNE wurden nun ausgewertet – und zeigen keine Spur von sterilen Neutrinos. „Wir können nun die wahr­schein­lichste Erklärung für die Anomalien weitest­gehend ausschließen und andere – komplexere und vielleicht interes­santere – Möglichkeiten unter­suchen“, so Weber. Die Hälfte der Daten von MicroBooNE ist noch auszu­werten und die Möglich­keiten zur Erklärung der Anomalien sind vielfältig. „Dazu gehören so faszi­nierende Dinge wie Licht, das durch neuartige Prozesse bei Neutrino­kollisionen erzeugt wird, oder so exotische wie die dunkle Materie“, sagt Weber.

U. Bern / RK

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