Keine Spur von sterilen Neutrinos
Erste Ergebnisse der MicroBooNE-Kollaboration geben keinen Hinweis auf die Existenz der Elementarteilchen.
Bisher sind drei Arten von Neutrinos bekannt. Jedoch vermuteten Physiker eine bisher unentdeckte vierte Art von Neutrinos – sterile Neutrinos – als vielversprechende Erklärung für bestimmte Anomalien in früheren Experimenten. Neue Ergebnisse des MicroBooNE-Experiments am Teilchenphysik-Forschungszentrum Fermilab versetzen den theoretischen Elementarteilchen nun jedoch einen Schlag: Vier komplementäre Studien der internationalen MicroBooNE-Kollaboration zeigen keinen Hinweis für die tatsächliche Existenz der sterilen Neutrinos. Stattdessen stimmen die Ergebnisse mit dem Standardmodell der Teilchenphysik überein, der bisher besten physikalischen Theorie über die Funktionsweise des Universums. Die Resultate wurden am 27. Oktober im Rahmen eines Seminars vorgestellt.
„Wir haben sehr umfassende Untersuchungen mehrerer Arten von Neutrino-Wechselwirkungen durchgeführt. Alle sagen uns dasselbe: Es gibt keine Hinweise für die Existenz von sterilen Neutrinos“, sagt Michele Weber, wissenschaftlicher Leiter des MicroBooNE-Experiments und Professor für experimentelle Teilchenphysik der Universität Bern.
Neutrinos gibt es in drei bekannten Arten: dem Elektron-, Myon- und Tau-Neutrino. Sie können zwischen diesen Arten auf besondere Weise hin- und herwechseln, was als „Neutrino-Oszillation“ bezeichnet wird. In den 1990er Jahren wurden bei einem Experiment zur Untersuchung dieser Neutrino-Oszillation mehr Teilchenwechselwirkungen beobachtet als theoretisch erwartet. Die Existenz einer vierten Neutrino-Art, den sterilen Neutrinos, wurde eine beliebte Erklärung dieser seltsamen Ergebnisse. Dieses hypothetische Teilchen wäre jedoch noch schwerer zu fassen und würde nur auf die Schwerkraft reagieren. Mit der damaligen Detektor-Technologie war es nicht möglich, ein solches Neutrino nachzuweisen. Daher wurde 2007 die Idee zu MicroBooNE geboren.
Seit 2015 ist MicroBooNE in Betrieb. Der Detektor kann präzise 3D-Bilder von Neutrinoereignissen aufnehmen und so die Wechselwirkungen im Detail studieren. Die ersten drei Jahre der Daten von MicroBooNE wurden nun ausgewertet – und zeigen keine Spur von sterilen Neutrinos. „Wir können nun die wahrscheinlichste Erklärung für die Anomalien weitestgehend ausschließen und andere – komplexere und vielleicht interessantere – Möglichkeiten untersuchen“, so Weber. Die Hälfte der Daten von MicroBooNE ist noch auszuwerten und die Möglichkeiten zur Erklärung der Anomalien sind vielfältig. „Dazu gehören so faszinierende Dinge wie Licht, das durch neuartige Prozesse bei Neutrinokollisionen erzeugt wird, oder so exotische wie die dunkle Materie“, sagt Weber.
U. Bern / RK
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