Konstante besteht spektroskopischen Alkoholtest
Grundlegende Eigenschaften von Molekülen haben sich in den vergangenen sieben Milliarden Jahren nicht verändert.
Das Massenverhältnis von Protonen zu Elektronen gilt als Naturkonstante. Und dies zurecht, wie neueste radioastronomische Beobachtungen einer fernen Galaxie gezeigt haben. Mit dem 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg haben Wissenschaftler der VU-Universität Amsterdam und des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn Absorptionslinien des Moleküls Methanol bei einer Reihe von charakteristischen Frequenzen gemessen. In einer weit entfernten Galaxie analysierten die Forscher das Spektrum des einfachsten Vertreters aus der Stoffgruppe der Alkohole. Ergebnis: Moleküle und molekulare Materie weisen heute mit hoher Genauigkeit dieselben Eigenschaften auf wie vor sieben Milliarden Jahren. Insbesondere das Massenverhältnis von Protonen und Elektronen hat sich demnach in diesem Zeitraum um höchstens ein hunderttausendstel Prozent geändert.
Abb.: Schematisches Bild des Methanol-Moleküls. Die schwarze Kugel markiert das zentrale Kohlenstoffatom, die rote ein Sauerstoff-Atom und die grauen Kugeln stehen für Wasserstoff-Atome. Der gelbe Pfeil repräsentiert die interne Drehbewegung des Moleküls, deren Beeinträchtigung zu einem Quantentunneleffekt führt. (Bild: VU University Amsterdam / P. Jansen)
Fundamentalen Naturkonstanten wie dem Proton-zu-Elektron-Massenverhältnis können Physiker nur durch Messungen näher kommen. Zwar ergeben alle erdgebundenen Experimente für dieses Verhältnis denselben Wert. Trotzdem wäre es theoretisch möglich, dass die Konstante sich in verschiedenen Regionen des Universums oder zu unterschiedlichen Zeiten in dessen Geschichte verändert hat. Um solche Abweichungen nachzuweisen, eignet sich das Methanol-Molekül als Messfühler.
Eine Reihe von Linien im Radiospektrum dieses Moleküls würden bei einer Änderung des Proton-zu-Elektron-Massenverhältnisses eine deutliche Frequenzverschiebung zeigen, während andere Linien von dieser Verschiebung nicht betroffen wären. Erst kürzlich hat eine Gruppe an der VU-Universität Amsterdam herausgefunden, welche Eigenschaft das Methanol zu einem solch empfindlichen Messfühler macht: Letztendlich handelt es sich dabei um einen Quantentunnel-Effekt, der zustande kommt, wenn die interne Rotation des Moleküls beeinträchtigt ist. Dieser Effekt führt zu sehr hohen Werten für die Empfindlichkeits-Koeffizienten der entsprechenden Spektrallinien, die sich alle einzeln berechnen lassen.
Das Forscherteam beobachtete eine Galaxie, in der bereits eine Reihe verschiedener Moleküle beobachtet worden waren. Die Galaxie, die in der Sichtlinie zu einer intensiv strahlenden Radioquelle namens PKS1830-211 steht, ist etwa sieben Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt. Mit ihrem Suchprogramm zielten die Wissenschaftler auf vier verschiedene Linienübergänge im Radiospektrum des Methanol-Moleküls. Mithilfe des 100-Meter-Radioteleskops in Effelsberg konnten sie auch tatsächlich alle vier Linien entdecken.
Aus einer Analyse der Quantenstruktur des Methanol-Moleküls leiteten die Forscher ab, dass sich zwei von dessen Spektrallinien, die sie bei Frequenzen um 25 Gigahertz beobachteten, kaum von einer Änderung des Proton-zu-Elektron-Massenverhältnisses beeinflussen ließen. Die anderen beiden Linien reagieren viel empfindlicher auf eine Modifikation dieses Parameters.
Bei der Auswertung der Daten bezogen die Wissenschaftler auch systematische Effekte der Beobachtungen mit ein und kamen so zu folgendem Ergebnis: Das Massenverhältnis von Proton und Elektron hat sich im Lauf der vergangenen sieben Milliarden Jahre um einen Faktor von maximal 10-7 geändert und gilt damit zurecht als Naturkonstante. Dieses Ergebnis kann durchaus so interpretiert werden, dass die Struktur der molekularen Materie, wie aus spektralen Beobachtungen abgeleitet, sehr genau mit derjenigen vor sieben Milliarden Jahren übereinstimmt. Mögliche Abweichungen betragen nur ein Hunderttausendstel Prozent oder sogar weniger.
“Wenn wir tatsächlich Abweichungen in dieser fundamentalen Konstante finden würden, dann hätten wir ein Problem mit unserem Verständnis der Grundlagen der Physik“, sagt Karl Menten, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Vor allem wäre damit Einsteins Äquivalenzprinzip verletzt, das Herzstück der Allgemeinen Relativitätstheorie.“
MPG / PH