04.11.2014

Krebs auf molekularer Ebene bekämpfen

Ionenphysiker sind Rolle langsamer Elektronen auf der Spur.

Möglichst viele Tumorzellen zerstören und gleichzeitig möglichst wenige, gesunde Zellen schädigen. Das gilt als Grundfeste der Radio­chemo­therapie. Innsbrucker Ionen­physiker um Stephan Denifl unter­suchen auf molekularer Ebene die Entwicklung neuer Radio­sensitizer im Kampf gegen Krebs. Der bisher wenig erforschte Hintergrund: Bei ionisie­render Strahlung wird auch eine immense Zahl langsamer, sekundärer Elektronen freigesetzt, die die Wirkung dieser Substanzen unterstützen kann.

Abb.: Beim Beschuss von 4-Nitroimidazol mit langsamen Elektronen entstehen Hydroxyl-Radikale, die DNA schädigen können. (Bild: NCI / K. Tanzer / CCO)



Bösartige Tumorzellen sind an Sauerstoffmangel sehr gut angepasst. Durch den Einsatz von Radio­sensi­tizern soll daher der Sauerstoffgehalt im Krebsgewebe auf ein möglichst hohes Niveau gebracht werden, um dadurch die Empfind­lich­keit entarteter Zellen auf ionisierende Strahlung zu erhöhen. Seit wenigen Jahren werden in diesem Kontext bestimmte Derivate der Verbindung Nitro­imidazol mit der Summen­formel C3H3N3O2 erforscht. „Wir haben jetzt herausgefunden, dass es bei diesen Derivaten exakt auf die molekulare Struktur ankommen wird, ob Nitroimidazol durch langsame, sekundäre Elektronen zerstört wird oder nicht“, sagt Denifl.

Das Team hat im Zuge des jüngsten Experimentes in einer Spezialkammer Proben von 4-Nitroimidazol verdampft. Anschließend wurden diese Moleküle durch eine Kapillare geleitet und mit langsamen Elektronen beschossen. „Wie die massen­spektro­metrische Analyse der Reaktions­produkte zeigt, tritt der Radio­sensitizer in sehr starke Wechsel­wirkung mit langsamen Elektronen. Die Moleküle werden dabei zersetzt. Als Zerfalls­produkt entsteht eine ganze Reihe von Hydroxyl-Radikalen, deren schädliche Wirkung auf unsere DNA bekannt ist“, betont der Ionenphysiker. Bei einem anderen bisher untersuchten Derivat von Nitro­imidazol tritt anstelle der ursprünglichen Position eines Wasserstoff-Atoms eine Methyl-Gruppe. „Bereits diese Methylierung unterdrückt höchst über­raschender­weise die komplette elektronen-induzierte Chemie und damit positive Effekte im möglichen Einsatz in der Radio­chemo­therapie“, erklärt der Forscher.

Aufgrund dieser unter anderem in Zusammenarbeit mit Linda Feketeová vom Institut für Kernphysik im französischen Lyon jetzt erforschten Reaktionen plant das Innsbrucker Team die Untersuchung weiterer Nitro­imidazol-Derivate und will dabei eng mit dänischen Medizinern rund um Michael Horsman vom Universitäts­hospital in Aarhus zusammenarbeiten. „Die klinischen Tests in Aarhus ergaben je nach verwendetem Nitro­imidazol-Derivat höchst unter­schiedliche Behandlungs­erfolge. Dies ist ein weiterer Grund, warum wir die Sensiti­vierung gegenüber Bestrahlung auf moleku­larer Ebene verstehen wollen. Wir hoffen auch auf sehr lange Sicht, ein Molekül als neuen Radio­sensitizer zu synthetisieren und dessen Effekte auf molekularer Ebene zu testen“, betont Denifl.

LFU / OD

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