Krebs auf molekularer Ebene bekämpfen
Ionenphysiker sind Rolle langsamer Elektronen auf der Spur.
Möglichst viele Tumorzellen zerstören und gleichzeitig möglichst wenige, gesunde Zellen schädigen. Das gilt als Grundfeste der Radiochemotherapie. Innsbrucker Ionenphysiker um Stephan Denifl untersuchen auf molekularer Ebene die Entwicklung neuer Radiosensitizer im Kampf gegen Krebs. Der bisher wenig erforschte Hintergrund: Bei ionisierender Strahlung wird auch eine immense Zahl langsamer, sekundärer Elektronen freigesetzt, die die Wirkung dieser Substanzen unterstützen kann.
Abb.: Beim Beschuss von 4-Nitroimidazol mit langsamen Elektronen entstehen Hydroxyl-Radikale, die DNA schädigen können. (Bild: NCI / K. Tanzer / CCO)
Bösartige Tumorzellen sind an Sauerstoffmangel sehr gut angepasst. Durch den Einsatz von Radiosensitizern soll daher der Sauerstoffgehalt im Krebsgewebe auf ein möglichst hohes Niveau gebracht werden, um dadurch die Empfindlichkeit entarteter Zellen auf ionisierende Strahlung zu erhöhen. Seit wenigen Jahren werden in diesem Kontext bestimmte Derivate der Verbindung Nitroimidazol mit der Summenformel C3H3N3O2 erforscht. „Wir haben jetzt herausgefunden, dass es bei diesen Derivaten exakt auf die molekulare Struktur ankommen wird, ob Nitroimidazol durch langsame, sekundäre Elektronen zerstört wird oder nicht“, sagt Denifl.
Das Team hat im Zuge des jüngsten Experimentes in einer Spezialkammer Proben von 4-Nitroimidazol verdampft. Anschließend wurden diese Moleküle durch eine Kapillare geleitet und mit langsamen Elektronen beschossen. „Wie die massenspektrometrische Analyse der Reaktionsprodukte zeigt, tritt der Radiosensitizer in sehr starke Wechselwirkung mit langsamen Elektronen. Die Moleküle werden dabei zersetzt. Als Zerfallsprodukt entsteht eine ganze Reihe von Hydroxyl-Radikalen, deren schädliche Wirkung auf unsere DNA bekannt ist“, betont der Ionenphysiker. Bei einem anderen bisher untersuchten Derivat von Nitroimidazol tritt anstelle der ursprünglichen Position eines Wasserstoff-
Aufgrund dieser unter anderem in Zusammenarbeit mit Linda Feketeová vom Institut für Kernphysik im französischen Lyon jetzt erforschten Reaktionen plant das Innsbrucker Team die Untersuchung weiterer Nitroimidazol-Derivate und will dabei eng mit dänischen Medizinern rund um Michael Horsman vom Universitätshospital in Aarhus zusammenarbeiten. „Die klinischen Tests in Aarhus ergaben je nach verwendetem Nitroimidazol-Derivat höchst unterschiedliche Behandlungserfolge. Dies ist ein weiterer Grund, warum wir die Sensitivierung gegenüber Bestrahlung auf molekularer Ebene verstehen wollen. Wir hoffen auch auf sehr lange Sicht, ein Molekül als neuen Radiosensitizer zu synthetisieren und dessen Effekte auf molekularer Ebene zu testen“, betont Denifl.
LFU / OD