20.10.2011

Leuchtspuren verraten Ordnung im Chaos

Ergodentheorem durch Fluoreszenz-Messungen erstmals experimentell bestätigt.

Christoph Bräuchle und seinem Team vom Department Chemie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München gelang es gemeinsam mit Jörg Kärger und dessen Arbeitsgruppe an der Universität Leipzig zum ersten Mal, durch die Messung des Diffusionsverhaltens einzelner Moleküle sowie ganzer Molekülensembles im selben System das Ergodentheorem experimentell zu bestätigen. Dazu nutzten die Forscher an der LMU fluoreszierende Moleküle, deren „Leuchtspuren“ den Weg jedes einzelnen Moleküls genau nachzeichneten, während die Leipziger Gruppe das entsprechende Molekülensemble untersuchte.

Abb.: Die Daten der diffundierenden Farbstoffmoleküle (rote Kreise) aus Einzelmolekülexperimenten, stimmen mit dem durch gepulste Feldgradienten-NMR-Spektroskopie (schwarze Quadrate) bestimmten Ensemblewert überein. (Bild: F. Feil, Angew. Chem.)

Das Ergodentheorem ist ein fundamentales naturwissenschaftliches Prinzip: Es besagt, dass sich in physikalischen Systemen alle Einzelteilchen genauso „chaotisch“ verhalten wie das gesamte Ensemble – vom Verhalten des Einzelnen also auf das Ganze geschlossen werden kann. Obwohl dieses Prinzip weitreichende Konsequenzen hat, war es bisher ein reines Gedankengebäude.

Diffusionprozesse – die durch thermische Energie ausgelösten zufälligen Bewegungen von Teilchen – sind essenziell für viele Abläufe in der Natur, aber auch für eine große Zahl technischer Verfahren. Bei fast jeder chemischen Reaktion ist Diffusion der entscheidende Mechanismus, damit sich die potenziellen Reaktionspartner überhaupt nahe genug kommen, um miteinander zu reagieren. Das Ergodentheorem ist für die dynamischen Prozesse der Diffusion ein allgemein anerkanntes zentrales Prinzip: Es besagt, dass die häufig wiederholte Messung einer Beobachtungsgröße – wie etwa der pro Zeiteinheit zurückgelegten Wegstrecke – an einem einzelnen Teilchen zum selben Mittelwert führt wie die gleichzeitige Messung dieser Größe an vielen Teilchen. Zumindest, wenn sich die Systeme im Gleichgewicht befinden.

Obwohl bereits seit 150 Jahren Diffusionsmessungen durchgeführt werden, konnte das Ergodenprinzip bisher noch nicht experimentell überprüft werden. Dies lag daran, dass bisher Diffusionsmessungen nur als Ensemblemessungen – das heißt als gleichzeitige Messung vieler Teilchen – durchgeführt werden konnten. Eine wichtige Methode dazu ist die Pulsgradientenmethode der NMR (Kernspin-Resonanz). Der konkrete Diffusionsweg eines einzelnen Teilchens dagegen entzog sich bisher den Beobachtungsmöglichkeiten der Wissenschaftler. Bei den nun verwendeten optischen Einzelmolekülmethoden wird das Molekül über seine Fluoreszenz beobachtbar und lässt sich so anhand seiner „leuchtenden Spuren“ bis auf wenige Nanometer genau lokalisieren und verfolgen.

Eine weitere Schwierigkeit bestand jedoch darin, dass beide Methoden sehr gegensätzliche Bedingungen für erfolgreiche Messungen erfordern. So sind für die NMR-Messungen hohe Konzentrationen und große Diffusionskoeffizienten der Moleküle erforderlich, während die Einzelmolekülspektroskopie extrem geringe Konzentrationen und kleine Diffusionskoeffizienten erfordert. Durch die Verwendung spezieller organischer Farbstoffmoleküle mit guter Fluoreszenz, die als Gastmoleküle in porösen Gläsern mit nanometergroßen Poren diffundieren, konnten die Forscher das Problem lösen. Sie führten mit beiden Messmethoden unter gleichen Bedingungen sowohl Einzelmolekülmessungen als auch Ensemblemessungen durch.

Auf diese Weise gelang den Forschern der Nachweis, dass die durch die verschiedenen Methoden erhaltenen Diffusionskoeffizienten und damit das Diffusionsverhalten übereinstimmt. Als nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler solche Systeme genauer untersuchen, in denen das Ergodentheorem nicht gilt. „Die Diffusion von Nanoteilchen in Zellen scheint solch ein interessanter Fall zu sein“, sagt Bräuchle, „für uns ist es wichtig herauszufinden, aus welchen Gründen das Ergodentheorem hier nicht greift."

göd / LMU / PH

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