15.11.2006

LHC - das größte Experiment

Ab dem Herbst 2007 soll der 27 km lange Teilchenbeschleuniger "Large Hadron Collider" (LHC) Antworten auf fundamentale Fragen liefern.

Genf (dpa) - Der Urknall im Labor hat nur wenig mehr Energie als zwei kollidierende Mücken. Doch zusammengepfercht auf ein Billionstel Mückengröße entsteht eine Energiedichte, die Forscher so dicht an die Geburt des Kosmos heranführen soll wie nie zuvor. Dafür entsteht bei Genf das größte Experiment, das Menschen je gebaut haben. In der 27 Kilometer langen, unterirdischen Teilchenkanone «Large Hadron Collider» (LHC) werden Wasserstoff- Atomkerne mit bislang unerreichter Wucht ineinander krachen. Hausgroße Nachweisgeräte sind nötig, um die Kollisionssplitter aufzuzeichnen. Wenn der Teilchenbeschleuniger des europäischen Teilchenforschungszentrums CERN im Herbst 2007 angeschaltet wird, erwarten die Wissenschaftler nicht nur zahlreiche Antworten auf fundamentale Fragen der Physik, sie hoffen auch auf ein tieferes Verständnis des Universums.

So ist bis heute rätselhaft, warum nach dem Urknall überhaupt Materie übrig geblieben ist, aus der im Laufe von einigen Milliarden Jahren Sterne, Planeten, Bäume und schließlich auch Menschen entstehen konnten. Denn bei der Geburt des Kosmos müssen zunächst Materie und Antimaterie zu gleichen Teilen erzeugt worden sein und hätten sich anschließend gegenseitig wieder komplett vernichten sollen. «Die Frage ist also letztlich: Warum sind wir überhaupt da? Das ist völlig mysteriös», sagt der Münchner Physikprofessor Siegfried Bethke, der am ATLAS-Detektor für den LHC beteiligt ist. «Eigentlich dürfte es uns gar nicht geben. Das ist doch Grund genug, mal nachzuforschen.»

Der Aufwand dafür ist immens: Im Betrieb hat der LHC mit 120 Megawatt denselben Strombedarf wie die nahe 160 000-Einwohner-Stadt Genf. Ein Magnetfeld, 100 000fach stärker als das irdische, zwingt die nahezu lichtschnellen Wasserstoff-Kerne (Protonen) auf ihre Bahn. Die gesamte ringförmige Anlage, bis zu 150 Meter tief unter der Erde, muss dafür auf rund minus 271 Grad Celsius gekühlt werden. «Das ist etwas kälter als im Weltall», sagt CERN-Generalsekretär Maximilian Metzger. Erst bei diesen tiefen Temperaturen können die 1800 Spezialmagnete die nötige Feldstärke erzeugen. Als Kühlmittel dienen knapp hundert Tonnen des Edelgases Helium - das Kilo zu 40 Euro. Allein das Abkühlen dauert zwei bis drei Wochen.

Bis zu 300 Billionen Wasserstoff-Kerne (Protonen) werden im LHC kreisen. Der Protonenstrahl muss genau kontrolliert werden. Denn obwohl die schnellen Atomkerne im LHC gemeinsam nicht einmal ein milliardstel Gramm auf die Waage bringen, haben sie zusammen etwa so viel Energie wie ein 800-Tonnen-Güterzug bei Tempo 100. «Wenn man den Strahl verliert, zerstört das die Maschine», erläutert Verena Kain vom CERN Control Centre, das den Beschleuniger steuern wird. Insgesamt betreuen mehrere tausend Wissenschaftler das Experiment. Fast vier Milliarden Euro kostet die gesamte Anlage, allein drei Milliarden davon der Beschleunigerring selbst.

Die Urknallmaschine produziert jede Sekunde 600 Millionen Teilchenkollisionen. Vier gigantische unterirdische Nachweisgeräte, ALICE, ATLAS, CMS und LHCb, zeichnen die Spuren der Kollisionssplitter auf, in denen die Physiker nach neuen Phänomenen von Materie, Energie, Raum und Zeit fahnden werden. ATLAS, mit 46 Metern Länge und 25 Metern Höhe so groß wie ein fünfstöckiges Haus, ist der größte Teilchendetektor der Welt.

Die Messungen der Partikelkollisionen lassen sich allerdings bei weitem nicht alle speichern. Die Datenflut wird daher noch im Detektor vorgefiltert. «Wir suchen nach nur einer guten Aufnahme in zehn Billionen Schnappschüssen», erläutert Bernd Panzer vom CERN-Rechenzentrum. Etwa eine CD-ROM pro Sekunde wird gespeichert, das summiert sich zu rund 15 Petabyte im Jahr ­ in etwa vergleichbar mit der gesamten Information im World Wide Web.

Damit kann das CERN nicht alleine klarkommen: Die Forscher haben deshalb das GRID ins Leben gerufen, einen weltweiten Verbund von Rechnern, der die benötigte Computerleistung bereitstellen soll. Um darüber hinaus Leerlaufkapazitäten privater PCs zu nutzen, haben die Physiker das Projekt LHC@home gestartet. Ein teilnehmender PC besorgt sich dabei übers Internet einen Datensatz, rechnet daran, wann immer er unbeschäftigt ist, und schickt das Ergebnis anschließend zurück. Auf diese Weise kann jeder internetfähige PC ein wenig an der Entdeckungsreise zum Urknall teilnehmen.

Till Mundzeck, dpa

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