Livebilder aus dem Nanokosmos
Mit PETRA-III Schichten aus Fußballmolekülen beim Wachsen zusehen.
Am DESY konnten Forscher live beobachten, wie sich fußballförmige Kohlenstoffmoleküle zu ultraglatten Schichten ordnen. Die Untersuchung an der Forschungslichtquelle PETRA-III ermöglicht zusammen mit theoretischen Modellrechnungen erstmals, diesen Wachstumsprozess grundlegend zu verstehen, berichtet die Gruppe um Nicola Kleppmann von der TU Berlin und Sebastian Bommel von DESY und Humboldt-Universität zu Berlin. Das ermöglicht künftig auch die gezielte Konstruktion von Nanostrukturen aus diesen Kohlenstoffmolekülen, die eine zunehmend wichtige Rolle in der zukunftsträchtigen Plastikelektronik und zum Beispiel in Handy-Displays spielen.
Abb.: Die Fußballmoleküle ordnen sich auf dem Substrat in weitläufigen Terrassen an. (Bild: N. Kleppmann, TUB)
Die Wissenschaftler von der HU, der TUB, dem SFB 951 Hybrid Inorganic/Organic Systems for Optoelectronics, der Uni Tübingen und dem DESY haben Buckyballs untersucht. Sie konnten beobachten, wie sich aus einem Dampf von C60-Buckminster-Fullerenen die kugelförmigen Moleküle auf einem Substrat ablagern. Tatsächlich entsteht dabei eine Lage nach der anderen, die Kohlenstoffmoleküle wachsen vorwiegend in Inseln mit einer Höhe von nur einem Molekül und bilden kaum Türmchen. „Die erste Lage ist zu 99 Prozent fertig gewachsen, bevor das erste Prozent der zweiten Lage entstanden ist“, berichtet DESY-Forscher Bommel, der an der HU bei Stefan Kowarik promoviert. Auf diese Weise bilden sich extrem glatte Schichten.
„Damit wir die Wachstumsprozesse wirklich live beobachten konnten, mussten wir die Oberfläche auf molekularer Ebene schneller vermessen, als eine einzelne Schicht wächst, was ungefähr im Minutenabstand stattfindet“, erläutert Koautor Dr. Stephan Roth, Leiter der Messstation P03, an der die Versuche stattfanden. „Dafür ist die Röntgenstreuung besonders geeignet, mit der sich das Wachstum detailliert verfolgen lässt.“
„Um die Entwicklung der Oberflächenformen auf molekularer Ebene zu verstehen, haben wir umfangreiche Simulationen im Nichtgleichgewicht durchgeführt, die den gesamten Wachstumsprozess der C60-Moleküle zu einer Gitterstruktur beschreiben“, erläutert Nicola Kleppmann, Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Sabine Klapp an der TU Berlin. „Unsere Ergebnisse liefern fundamentale Einblicke in die molekularen Wachstumsprozesse eines Systems, das ein wichtiges Bindeglied zwischen der Welt der Atome und derjenigen der Kolloide darstellt.“
Dank der Kombination aus experimentellen Beobachtungen und Modellrechnungen konnten die Wissenschaftler erstmals für ein derartiges System drei zentrale Energieparameter zugleich bestimmen: die Bindungsenergie der Fußballmoleküle untereinander sowie die Diffusionsbarriere, die ein Molekül überwinden muss, wenn es sich auf der Oberfläche bewegen will, und die Ehrlich-Schwoebel-Barriere, die ein Molekül überwinden muss, wenn es auf einer Insel landet und von ihr herunterhüpfen will.
„Durch diese Werte verstehen wir jetzt erstmals wirklich, wodurch das Wachstum von Nanostrukturen bestimmt wird“, betont Bommel. „Wenn man in die Zukunft denkt, ist es vorstellbar, mit diesem Wissen gezielt das Wachstum der Strukturen zu beeinflussen: Wie muss ich meine Parameter Temperatur und Depositionsrate verändern, um eine bestimmte Inselgröße wachsen zu lassen. Das könnte zum Beispiel für organische Solarzellen, die C60 beinhalten, interessant sein.“ Mit denselben Methoden wollen die Forscher in Zukunft auch das Wachstum weiterer molekularer Systeme erkunden.
TUB / DESY / OD