Magnetische Strukturen schneller lesen
Erstmals konnte die magnetische Ausrichtung eines Materials mit Terahertz-Pulsen bestimmt werden.
Eine einzige moderne Festplatte speichert heute mehrere Millionen Megabyte – genug Speicherplatz für hunderttausende Fotos. Winzige magnetische Strukturen machen dies möglich. Doch mit Datenraten von einigen hundert Megabyte pro Sekunde bleibt der Zugriff auf diese geballte digitale Information noch relativ langsam. Erste Experimente zeigten bereits einen neuen vielversprechenden Ansatz: Magnetische Zustände lassen sich durch kurze Strompulse auslesen. Erst kürzlich entdeckte spintronische Effekte in zweckmäßig gewählten Materialsystemen könnten dabei bisherige Geschwindigkeitsbeschränkungen aufheben. Den Beweis für die Machbarkeit solch schneller Datenquellen liefern Forschende des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) und der TU Dortmund. Anstelle von elektrischem Strom verwenden sie ultrakurze Terahertz-Lichtpulse, um magnetische Strukturen innerhalb von Pikosekunden auszulesen.

„Mit Licht lässt sich die magnetische Ausrichtung eines Materials viel schneller bestimmen als mit Strompulsen“, sagt Jan-Christoph Deinert vom Institut für Strahlenphysik am HZDR. Der Physiker nutzte mit seinem Team ein besonderes, für das menschliche Auge unsichtbares Licht – die Terahertz-Strahlung. Mit einer Wellenlänge von knapp einem Millimeter liegt dieses Licht im elektromagnetischen Spektrum zwischen Wärme- und Mikrowellenstrahlung. Als Lichtquelle diente ihnen die Strahlungsquelle ELBE am HZDR. Hier erzeugen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem extrem kurze und intensive Terahertz-Pulse. Diese erwiesen sich als ideal, um die Magnetisierung von hauchdünnen Materialproben zu analysieren.
Die Proben bestanden aus mindestens zwei extrem dünnen, übereinander gelagerten Schichten. Für die untere Schicht wählten die Forschenden ein magnetisches Material beispielsweise aus dem Element Kobalt oder aus einer Eisen-Nickel-Legierung. Die obere Schicht bestand aus Metallen wie Platin, Tantal oder Wolfram. Keine dieser metallischen Lagen war dabei dicker als drei Nanometer. „Nur, wenn die Schichten so dünn sind, kann das Material von einem Teil der Terahertz-Strahlung durchdrungen werden“, erklärt Deinert. Diese partielle Durchsichtigkeit – die Transparenz – ist eine zentrale Voraussetzung, um die Magnetisierung der unteren Schicht überhaupt mit Licht auslesen zu können.
„In unseren Experimenten erzeugen die Terahertz-Blitze eine Vielzahl von Wechselwirkungen zwischen Licht und Materie“, sagt Ruslan Salikhov vom Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung am HZDR, der für die Herstellung der Proben zuständig war. Im Zusammenspiel mit weiteren optischen Kurzpulslasern konnte das Team die sehr schnellen relativistischen Quanteneffekte in den hauchdünnen Schichten sichtbar machen und entschlüsseln. Zuerst erzeugen die Terahertz-Pulse mit ihrem elektrischen Feld extrem kurzlebige elektrische Ströme in der oberen Metallschicht. Bemerkenswerterweise sortieren sich hierbei die Elektronen je nach Ausrichtung ihres Eigendrehimpulses, des Spins, und es entsteht ein Spinstrom senkrecht zu den Schichten. An der Grenzfläche zwischen den Schichten bildet sich in unmittelbarer Folge eine Anhäufung von Elektronen mit einer ganz bestimmten Spin-Ausrichtung. Und je nach Ausrichtung zwischen diesen Spins und der Magnetisierungsrichtung der unteren Schicht ändert sich der elektrische Widerstand der Grenzfläche. Die Forschenden nennen diesen Effekt unidirektionale Spin-Hall-Magnetoresistenz – kurz USMR.
Der USMR-Effekt wurde vor wenigen Jahren von Forschenden an der ETH Zürich entdeckt. Doch das HZDR-Team ging nun einen großen Schritt weiter. Dank dieses Effekts können die Forschenden die Magnetisierungsrichtung äußerst schnell auslesen, indem sie die extrem kurzen Terahertz-Pulse nutzen. Diese sorgen dafür, dass der Spinstrom etwa eine Billion Mal pro Sekunde seine Richtung wechselt. Der elektrische Widerstand der Grenzschicht wird damit dank dem USMR-Effekt ebenfalls ultraschnell variiert. Und damit sorgt der Quanteneffekt für eine Rückkopplung auf die Terahertz-Strahlung selbst: „Je nach Ausrichtung der Magnetisierung erzeugen wir eine schnelle Fluktuation der Transparenz der Probe“, sagt Sergey Kovalev von der TU Dortmund. Und dies verändert die Terahertz-Pulse auf ganz spezifische Weise. Nach Durchdringung der Probe erhalten sie eine Oberschwingung, eine „Zweite Harmonische“ mit der doppelten Frequenz der ursprünglichen Terahertz-Strahlung. „Genau diese Oberschwingung können wir nachweisen und damit die Magnetisierung der unteren Schicht innerhalb von Pikosekunden bestimmen“, macht Kovalev klar.
Es wird bereits daran geforscht, die magnetisch gespeicherten Daten mit Terahertz-Strahlung nicht nur auszulesen, sondern sogar zu schreiben. Aber das Team weiß auch, dass es von diesem Erfolg der Grundlagenforschung bis zu einer ultraschnellen Festplatte noch ein sehr weiter Weg sein kann. Nötig wären dafür sowohl viel kompaktere Quellen für kurze Terahertz-Pulse als auch effiziente Sensoren für deren Analyse. Der USMR-Effekt zeigt aber, welche komplexen Mechanismen in vergleichsweise einfachen Materialsystemen hier eine wichtige Rolle spielen können.
HZDR / JOL