Magnetische Zöpfe heizen die Korona
Geflochtene magnetische Strukturen bringen die Hülle der Sonne auf vier Millionen Kelvin.
Obwohl die Oberfläche der Sonne „nur“ 5700 Kelvin heiß ist, kann die Korona Temperaturen von bis zu vier Millionen Kelvin erreichen. Zwar ist heute klar, dass das solare Magnetfeld die Energie für die Aufheizung liefert – wie dieser Prozess im Einzelnen verläuft, insbesondere bei der aktiven Sonne, ist jedoch noch nicht vollständig geklärt.
Abb.: Detailreicher Blick in die Sonnenkorona anhand einer Aufnahme des Hi-C bei einer Wellenlänge von 193 Angström. Die zeitgleiche Gesamtaufnahme der Sonne (l. o.) stammt von SDO. (Bild: A. Winebarger, NASA-MSFC)
Es gibt offenbar zwei Mechanismen, die eine Rolle spielen. Magnetohydrodynamische Wellen – Alvén-Wellen – sorgen für eine Erwärmung auf rund 1,5 Millionen Kelvin, wie sie für die ruhige Sonne typisch ist. Seit langem vermuten die Sonnenforscher, dass die Bildung magnetischer „Zöpfe“, also ineinander verflochtener magnetischer Strukturen, entscheidend für die weitere Aufheizung auf zwei bis vier Millionen Kelvin bei der aktiven Sonne ist.
Jonathan Cirtain vom Marshall Space Flight Center der Nasa und seine Kollegen liefern dafür nun erstmals Beweise. Am 11. Juli 2012 schoss das Team ein neues Instrument, den High-resolution Coronal Imager (Hi-C), mit einer Forschungsrakete auf einer ballistischen Bahn ins Weltall. Das Gerät lieferte fünf Minuten lang Bilder der Korona im extremen Ultraviolett-Bereich mit einer Auflösung von 150 Kilometern – fünfmal besser als das bislang beste Teleskop, das Atmospheric Imaging Assembly an Bord des Solar Dynamics Observatory.
Die Aufnahmen zeigen in einer aktiven Region der Sonnenkorona tatsächlich die Existenz von verdrillten Strukturen. Die Magnetfelder dieser „Zöpfe“ strukturieren sich um und können dabei ausreichend Energie freisetzen, um die Strukturen auf vier Millionen Kelvin aufzuheizen. „Unsere fünfminütigen Beobachtungen reichen zwar nicht aus, um die Rekonnektion und nachfolgende Relaxation des Magnetfelds als dominanten Mechanismus der Aufheizung in der gesamten aktiven Region zu identifizieren“, schreiben Cirtain und seine Kollegen, „aber die durch die beobachtete Feldrelaxation verfügbare Energie ist mehr als ausreichend für die beobachtete Erwärmung.“
Peter Cargill vom Imperial College London sieht in den Beobachtungen von Cirtain und Kollegen nur einen ersten Schritt. „Hat Hi-C die Korona wirklich aufgelöst?“, fragt er – möglicherweise gebe es noch kleinere Strukturen, die eine Rolle bei der Erwärmung der Korona spielen. Wichtig sei es jetzt, ein Instrument wie das Hi-C – möglichst mit noch besserem Leistungsvermögen – dauerhaft im Weltall zu stationieren. Nur so könne man zu einem vollständigen Verständnis der energiereichen Prozesse in der Sonnenkorona gelangen.
Rainer Kayser
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