Massereiche Sterne in W3Main wurden nicht gleichzeitig geboren
Die Hinweise verdichten sich, dass Sterngruppen in einem komplexen Prozess entstehen, der mehrere Millionen Jahre andauert.
Massereiche Sterne – also Sterne mit 10 bis 100 Sonnenmassen – bilden sich innerhalb von dichten Wolken aus Gas und Staub immer zusammen in Gruppen oder Haufen. Ein Beispiel einer solchen Umgebung in unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße, ist W3Main in einer Entfernung von 6000 Lichtjahren. W3Main ist Teil einer größeren Sternentstehungsregion im nördlichen Sternbild Kassiopeia. Dass alle Sterne in solchen Gebieten gleichzeitig geboren werden, steht seit längerem in Zweifel. Forscher vermuten, eine frühzeitig entstandene Generation von Sternen bewirke die Bildung einer späteren Generation erst oder beeinflusse sie zumindest. Der einzige Weg, die tatsächliche Geschichte und den Zeitraum der Sternentstehung zu bestimmen, besteht darin, das genaue Alter der Sterne zu messen.
Abb.: Zum Vergleich: Luci-1 Bild von W3Main im sichtbaren Licht (links) und im Nahinfrarot (rechts). Während das normale Bild nur wenige Sterne zeigt, enthüllt das Luci-1 Bild eine Gruppe junger Sterne. (Bild: MPIA)
Solche Beobachtungen sind eine Herausforderung, weil sich massereiche Sterne tief eingebettet in Molekülwolken bilden und deshalb hinter einem dichten und scheinbar undurchdringlichen Vorhang aus Gas und Staub versteckt sind. Dies verhindert die Beobachtung ihrer Geburt und der Frühphasen ihres Lebens mit Teleskopen, die im Wellenlängenbereich sichtbaren Lichts arbeiten. Glücklicherweise kann man mit Beobachtungen bei längeren Wellen im Nahinfrarot durch den Staub hindurch sehen und die versteckten Sterne beobachten.
Das neue Luci-1 Instrument am LBT (Large Binocular Telescope) – ein Vielzweckinstrument für Spektren und Bilder im Nahinfrarot – ist perfekt geeignet um solche jungen und kürzlich entstandenen massereichen Sterne zu studieren und deren Alter zu messen. Aus dem Spektraltyp eines Sterns lassen sich seine Leuchtkraft und Temperatur bestimmen. Daraus wiederum kann im Vergleich mit Sternentwicklungsmodellen sein Alter präzise ermittelt werden. Spektren von einer repräsentativen Zahl der fernen und damit lichtschwachen Sterne in Bereichen wie W3Main zu erhalten, erfordert jedoch lange Beobachtungszeiten, um die notwendige Menge an Licht zu sammeln – auch mit den größten Teleskopen.
Doch jetzt gelang es einer Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Arjan Bik vom Max-Planck Institut für Astronomie in Heidelberg, Spektren hoher Qualität von 16 der massereichsten Sterne in W3Main gleichzeitig zu messen. Dies war durch die Verwendung des Multi-Objekt-Spektroskopie-Modus (Mos) von Luci-1 am LBT möglich.
„Die ältesten Sterne in dieser Region sind offenbar bereits zwei Millionen Jahre alt, während andere Sterne deutlich jünger sind und sich gerade erst tief im Innern ihrer Staubhülle bilden,“ sagt Bik. Dies deute darauf hin, dass die gegenseitige Wechselwirkung zwischen den zuerst entstandenen Sternen und denen, die momentan entstehen, sehr wahrscheinlich ein wichtiger Faktor bei Sternentstehungsprozessen ist.
Luci steht für "Large Binocular Telescope Near-infrared Utility with Camera and Integral Field Unit". Luci-1 ist ein neues Vielzweck-Instrument mit großer Flexibilität, welches ein großes Gesichtsfeld mit hoher Auflösung kombiniert. Es unterstützt drei auswechselbare Kameras für Direktbilder und Spektroskopie in verschiedenen Auflösungen je nach Beobachtungsanforderungen. Neben der Gewinnung von Bildern mit gegenwärtig 18 Hochqualitätsfiltern, erlaubt Luci-1 die gleichzeitige Spektroskopie von etwa zwei Dutzend Objekten im Infrarot mittels lasergestanzter Schlitzmasken. Für höchste Flexibilität können die Masken selbst bei den kryogenen Arbeitstemperaturen mittels eines innovativen robotischen Maskenwechslers getauscht werden, der sie mit höchster Genauigkeit in der Brennebene positioniert. Luci-1 und sein Zwilling Luci-2 haben ihren Platz im Gregory-Fokus der beiden riesigen 8,4-Meter Spiegel des LBT. Jedes Instrument ist auf –213 Grad Celsius gekühlt um im Nahinfraroten beobachten zu können.
MPIA / PH