17.03.2020

Molekül in der Quantenfalle

Neues Messverfahren ist um Größenordnungen empfindlicher als gängige Spektroskopiemethoden.

Forscher der Universität Basel haben eine neue Methode entwickelt, mit der sich einzelne isolierte Moleküle präzise untersuchen lassen – ohne dabei das Molekül zu zerstören oder auch nur seinen Quanten­zustand zu beeinflussen. Das höchst empfindliche Verfahren ist breit anwendbar, was eine Reihe von neuen Anwendungen in den Quanten­wissenschaften, der Spektroskopie und der Chemie eröffnet.

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Abb.: Ein geladenes Stickstoff­molekül wird von einem Kalzium-Ion in einem...
Abb.: Ein geladenes Stickstoff­molekül wird von einem Kalzium-Ion in einem optischen Gitter störungs­frei aus­gelesen. (Bild: Dept. Chemie, U. Basel)

In der Regel wird eine Probe mit unzähligen Molekülen direkt bestrahlt. Die Moleküle können dabei nur Licht bei wohl­definierten Wellenlängen absorbieren, die genau der Differenz zwischen zwei quanten­mechanischen Energie­zuständen entsprechen. Die Moleküle werden bei diesen Anregungen gestört und wechseln ihren Quantenzustand. In vielen Experi­menten werden die Moleküle sogar chemisch zerstört, um die Anregungen zu detektieren. Aus der Analyse der Wellenlänge und der Intensität der Übergänge lassen sich Infor­mationen über die chemische Struktur und über molekulare Bewegungen wie Drehungen und Schwingungen gewinnen.

Inspiriert von Methoden der Quanten­wissenschaften zur Manipulation von Atomen entwickelte die Forschungs­gruppe von Stefan Willitsch eine neue spektro­skopische Methode, bei der nur ein einzelnes Molekül, hier als Beispiel ein geladenes Stickstoff­molekül, auf indirektem Weg untersucht wird – ohne dass das Molekül dabei zerstört oder sein Quanten­zustand geändert wird. Hierfür wird das Molekül in einer Radio­frequenz-Falle eingefangen und nahe an den absoluten Nullpunkt abgekühlt. Dafür ist ein Fremdatom – hier ein geladenes Kalzium-Atom – nötig, das direkt daneben lokalisiert ist. Diese räumliche Nachbarschaft ist auch für die spätere spektro­skopische Untersuchung des Moleküls essenziell. 

Zwei fokussierte und gebündelte Laserstrahlen, die auf das Molekül gerichtet sind, bilden ein optisches Gitter und erzeugen sodann eine Kraft auf das Molekül. Diese Kraft ist umso stärker, je näher die eingestrahlte Wellenlänge einem spektro­skopischen Übergang des Moleküls entspricht, ohne es dabei jedoch spektro­skopisch anzuregen. Eine Bewegung des Gitters führt dazu, dass das Molekül anfängt, in der Falle zu schwingen, und zwar umso mehr, je stärker die optische Kraft wirkt. Diese Bewegung überträgt sich auf das benach­barte Kalzium-Atom und kann dort detektiert werden. So kann dieselbe Information über das Molekül gewonnen werden wie bei einer konven­tionellen spektroskopischen Anregung.

Die neue Methode, die die Forscher als eine Art von Kraft­spektroskopie bezeichnen, verfolgt gleich mehrere neuartige Ansätze. Zum einen erfolgt sie an einem einzigen isolierten Molekül. Zum anderen ist sie störungsfrei, da sie indirekt über das benachbarte Atom und ohne eine direkte Anregung spektro­skopischer Übergänge erfolgt. Damit bleibt der Quanten­zustand des Moleküls intakt, sodass die Messung beliebig oft wiederholt werden kann. Dies führt dazu, dass das Mess­verfahren um mehrere Größenordnungen empfindlicher ist als gängige Spektroskopie­methoden, die auf der direkten Anregung und Zerstörung einer grossen Anzahl von Molekülen beruhen.

Willitsch sieht zahlreiche potenzielle Anwendungs­gebiete dieser Methode: „Unsere Kraft­spektroskopie erlaubt extrem präzise Messungen an Molekülen, die durch die bisherigen Methoden so nicht möglich waren. Mit dem neuen Verfahren lassen sich Molekül­eigenschaften und chemische Reaktionen sehr empfindlich und unter präzise definierten Bedingungen auf der Ebene einzelner Moleküle untersuchen. Es erlaubt auch Zugang zu fundamentalen Frage­stellungen – etwa zu jener, ob die Naturkonstanten tatsächlich konstant sind oder sich mit der Zeit ändern. Als praktische Anwendungen wären der Bau einer extrem präzisen mole­kularen Uhr denkbar – oder der Einsatz von Molekülen als Bausteine eines Quanten­computers.“

U. Basel / JOL

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