Molekül in der Quantenfalle
Neues Messverfahren ist um Größenordnungen empfindlicher als gängige Spektroskopiemethoden.
Forscher der Universität Basel haben eine neue Methode entwickelt, mit der sich einzelne isolierte Moleküle präzise untersuchen lassen – ohne dabei das Molekül zu zerstören oder auch nur seinen Quantenzustand zu beeinflussen. Das höchst empfindliche Verfahren ist breit anwendbar, was eine Reihe von neuen Anwendungen in den Quantenwissenschaften, der Spektroskopie und der Chemie eröffnet.
In der Regel wird eine Probe mit unzähligen Molekülen direkt bestrahlt. Die Moleküle können dabei nur Licht bei wohldefinierten Wellenlängen absorbieren, die genau der Differenz zwischen zwei quantenmechanischen Energiezuständen entsprechen. Die Moleküle werden bei diesen Anregungen gestört und wechseln ihren Quantenzustand. In vielen Experimenten werden die Moleküle sogar chemisch zerstört, um die Anregungen zu detektieren. Aus der Analyse der Wellenlänge und der Intensität der Übergänge lassen sich Informationen über die chemische Struktur und über molekulare Bewegungen wie Drehungen und Schwingungen gewinnen.
Inspiriert von Methoden der Quantenwissenschaften zur Manipulation von Atomen entwickelte die Forschungsgruppe von Stefan Willitsch eine neue spektroskopische Methode, bei der nur ein einzelnes Molekül, hier als Beispiel ein geladenes Stickstoffmolekül, auf indirektem Weg untersucht wird – ohne dass das Molekül dabei zerstört oder sein Quantenzustand geändert wird. Hierfür wird das Molekül in einer Radiofrequenz-Falle eingefangen und nahe an den absoluten Nullpunkt abgekühlt. Dafür ist ein Fremdatom – hier ein geladenes Kalzium-Atom – nötig, das direkt daneben lokalisiert ist. Diese räumliche Nachbarschaft ist auch für die spätere spektroskopische Untersuchung des Moleküls essenziell.
Zwei fokussierte und gebündelte Laserstrahlen, die auf das Molekül gerichtet sind, bilden ein optisches Gitter und erzeugen sodann eine Kraft auf das Molekül. Diese Kraft ist umso stärker, je näher die eingestrahlte Wellenlänge einem spektroskopischen Übergang des Moleküls entspricht, ohne es dabei jedoch spektroskopisch anzuregen. Eine Bewegung des Gitters führt dazu, dass das Molekül anfängt, in der Falle zu schwingen, und zwar umso mehr, je stärker die optische Kraft wirkt. Diese Bewegung überträgt sich auf das benachbarte Kalzium-Atom und kann dort detektiert werden. So kann dieselbe Information über das Molekül gewonnen werden wie bei einer konventionellen spektroskopischen Anregung.
Die neue Methode, die die Forscher als eine Art von Kraftspektroskopie bezeichnen, verfolgt gleich mehrere neuartige Ansätze. Zum einen erfolgt sie an einem einzigen isolierten Molekül. Zum anderen ist sie störungsfrei, da sie indirekt über das benachbarte Atom und ohne eine direkte Anregung spektroskopischer Übergänge erfolgt. Damit bleibt der Quantenzustand des Moleküls intakt, sodass die Messung beliebig oft wiederholt werden kann. Dies führt dazu, dass das Messverfahren um mehrere Größenordnungen empfindlicher ist als gängige Spektroskopiemethoden, die auf der direkten Anregung und Zerstörung einer grossen Anzahl von Molekülen beruhen.
Willitsch sieht zahlreiche potenzielle Anwendungsgebiete dieser Methode: „Unsere Kraftspektroskopie erlaubt extrem präzise Messungen an Molekülen, die durch die bisherigen Methoden so nicht möglich waren. Mit dem neuen Verfahren lassen sich Moleküleigenschaften und chemische Reaktionen sehr empfindlich und unter präzise definierten Bedingungen auf der Ebene einzelner Moleküle untersuchen. Es erlaubt auch Zugang zu fundamentalen Fragestellungen – etwa zu jener, ob die Naturkonstanten tatsächlich konstant sind oder sich mit der Zeit ändern. Als praktische Anwendungen wären der Bau einer extrem präzisen molekularen Uhr denkbar – oder der Einsatz von Molekülen als Bausteine eines Quantencomputers.“
U. Basel / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Sinhal et al.: Quantum-nondemolition state detection and spectroscopy of single trapped molecules, Science 367, 1213 (2020); DOI: 10.1126/science.aaz9837 - Kalte und kontrollierte Moleküle und Ionen (S. Willitsch), Universität Basel