18.12.2019

Nachhaltig fliegen bis an die Grenzen

Genauere Vorhersage der Aerodynamik von Flugzeugen bei hohen Geschwindigkeiten.

Flugzeuge sollen energie­effizienter werden und gleichzeitig stabil und ruhig fliegen. Um das zu erreichen, muss man die physikalischen Zusammen­hänge bis an die Grenzen des Flug­bereichs besser verstehen und prognos­tizieren. Genau das ist das Ziel einer neuen Forschungs­gruppe der Deutschen Forschungs­gemein­schaft mit dem Titel „Erforschung instatio­närer Phänomene und Wechsel­wirkungen beim High-Speed Stall“. Ihr Sprecher ist Thorsten Lutz vom Institut für Aero­dynamik und Gasdynamik der Uni Stuttgart, beteiligt sind die TU München und die TU Braunschweig sowie die RWTH Aachen University und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Abb.: Messungen an einem Transportflugzeugmodell im Europäischen...
Abb.: Messungen an einem Transportflugzeugmodell im Europäischen Transsonischen Windkanal. (Bild: ETW)

Wenn ein Flugzeug mit sehr hoher Geschwindigkeit unterwegs ist, kann eine Stoßwelle und dahinter ein Strömungs­abriss auftreten. Dieses als „High Speed Stall“ bezeichnete Phänomen hat wechselnde Lasten zur Folge, welche die Struktur schädigen und die Flug­stabilität beeinflussen können. Um das zu vermeiden, werden beim Bau von Flug­zeugen Sicherheits­reserven ein­kalkuliert. Das Problem dabei: Legt man den Flieger zu schwer aus, verbraucht er unnötig Kerosin, das schadet der Umwelt und treibt die Kosten in die Höhe.

Die Aerodynamik von Transport­flugzeugen an den Grenzen des Flug­bereichs ist von physika­lischen Phänomenen gekenn­zeichnet, die teilweise noch nicht verstanden sind. Dabei können instationäre Lasten, also sehr schnelle Änderungen der Kräfte auftreten. Diese können Vibrationen am Flügel hervorrufen, was zu einem Schütteln führt. Aufgrund der komplexen Wechsel­wirkungen dieser Faktoren lassen sich die Belastungs­grenzen eines Flugzeugs bisher nur unzureichend vorher­sagen und werden final erst am fertigen Prototyp im Rahmen von Testflügen nach­gewiesen.

Ziel der neuen Forschungsgruppe ist es vor diesem Hinter­grund, die offenen strömungs­physika­lischen Fragen beim High-Speed Stall von Transport­flugzeugen grund­legend zu erforschen und numerische Modelle zu entwickeln, die es erlauben, die aero­dynamischen Effekte schon vor dem Bau des Flugzeugs genauer als bisher zu vorher­zusagen. Das ist ein wichtiger Aspekt, um leichtere und sparsamere Flugzeuge entwickeln zu können. Ein besonderer Fokus ist dabei auch auf die derzeit von vielen Triebwerks­herstellern voran­getriebene „Ultra High Bypass“-Technologie gerichtet. Diese Triebwerke der Zukunft sollen das Fliegen leiser, sparsamer und sauberer machen. Sie sind aber größer und brauchen mehr Platz unter den Flügeln, was wiederum Rück­wirkungen auf die Kräfte­ver­hältnisse und die Stabilität hat.

Die Forschungsgruppe will hierzu Strömungs­feld­messungen sowie numerische Studien der physika­lischen Mechanismen durch­führen. Einige dieser Messungen können nur in einem Kryo-Windkanal durch­geführt werden. Statt Luft, wie in konventio­nellen Windkanälen, strömt hier Stickstoff, welcher auf extreme Minusgrade gekühlt wird. Dadurch können am Modell die für die Aerodynamik entscheidenden Bedingungen simuliert werden, wie sie beim tatsäch­lichen Flug eines großen Flugzeuges auftreten. Die Messungen sollen am Europäischen Trans­sonischen Windkanal ETW durchgeführt werden, finanziert durch die Helmholtz-Gemeinschaft und das DLR, wobei Airbus ein geeignetes Windkanal­modell zur Verfügung stellt. Solche Tests können leicht mehr als 100.000 Euro pro Messtag verschlingen, weshalb der ETW bisher vorrangig von der Industrie genutzt wird. „Es ist sehr erfreulich, dass der Europäische Trans­sonische Windkanal durch die gemeinsame Förderung der DFG, der HGF und des DLR nun auch stärker der Wissenschaft zugutekommt“, sagt Lutz. „Neben detail­lierten numerischen Simula­tionen werden so aufwändige Windkanal­experi­mente zur Erforschung der Aerodynamik von Transport­flugzeugen an den Flugbereichs­grenzen möglich.“

U. Stuttgart / RK

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