21.06.2013

Nanoröhrchen für den Weltraumaufzug

Materialwissenschaftler stellen neuen Polymer-Keramik-Verbundwerkstoff vor – mit weit reichendem Potenzial.

Heutzutage befördern Raketen die Materialien für Raumstationen oder Satelliten in die Erdumlaufbahn. „Doch das ist nicht nur teuer, sondern verbraucht auch wertvolle Rohstoffe“, sagt Klaus Jandt von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Denn: die Raketen lassen sich nur einmal für den Transport nutzen. „Daher wird derzeit intensiv nach Alternativen für den Weg in den Orbit gesucht“, so der Inhaber des Lehrstuhls für Materialwissenschaft weiter.

Abb.: Verschiedene Konzepte sehen eine am Äquator stationierte schwimmende Plattform als Bodenstation für einen Weltraumaufzug. (Bild: LiftPort; CC BY-SA 3.0)

Große Hoffnungen setzen Jandt und seine Kollegen in das Konzept eines Weltraumlifts, bei dem eine Gondel von der Erdoberfläche bis zu einer geostationären Raumstation fährt und Satelliten direkt an Ort und Stelle aussetzt. Den Jenaer Materialwissenschaftlern ist nun ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung der Grundlagen dafür gelungen: Der Physiker Matthias Arras, Prof. Jandt und ihre Kollegen haben einen neuen Polymer-Keramik-Verbundstoff entwickelt, der Potenzial für einen späteren Einsatz in einem Weltraumlift hat.

Abb.: Ein Gegengewicht ist nötig, um das Aufzugsseil in der Schwebe zu halten. Eine Raumstation im geostationären Orbit kreist dagegen kräftefrei. (Bild, nicht maßstabsgetreu: pro-physik.de / Skyway BY-SA 3.0)

Basis des neuartigen Materials sind Kohlenstoff-Nanoröhrchen (carbon nano tubes, CNT). „Diese zigarrenförmigen Röhren aus reinem Kohlenstoff sind bis zu dreißigmal zugfester als Stahl und dabei wesentlich leichter“, erläutert Jandt. Dies mache sie gerade für eine Anwendung als „Aufzugsseil“ in den Orbit interessant, das nicht nur extrem zugfest, sondern auch sehr leicht sein müsste. „Mit keinem anderen bisher bekannten Material wäre ein solches Seil zu realisieren“, weiß Jandt.

Doch die CNTs können ihre Eigenschaft nur dann entfalten, wenn sie alle in eine Richtung orientiert sind, etwa so wie Zigarren in einer Zigarrenkiste. Jandt fährt fort: „Es bereitet immer noch Probleme, die Ausrichtung der CNTs, die einen Durchmesser von nur wenigen milliardstel Meter haben, zu erreichen“.

Und genau da ist den Jenaer Forschern nun ein Durchbruch gelungen. Sie brachten die CNTs zunächst in eine Polymerschmelze ein, die anschließend stark verstreckt (gezogen) wurde. „Durch das Ziehen an der Kunststoff-Schmelze entsteht ein hochorientierter Polymerträger“, sagt Matthias Arras, ein Mitglied von Jandts Team. Dadurch ist der Polymerträger an sich schon sehr zugfest. Beim Erstarren der Polymerschmelze bildet sich ein amorpher Polymeranteil und es findet eine Grenzflächenkristallisation statt. Kristalle wachsen während des Ziehens geordnet auf den Kohlenstoff-Nanoröhrchen auf und verbinden sich mit diesen. Die Polymerketten des amorphen Teils des Polymers verhaken sich während des Ziehens an den Kristallen auf den Kohlenstoff-Nanoröhren und ziehen diese so während der Verstreckung alle in eine Richtung. „So entsteht eine extrem hohe Ausrichtung der Röhrchen, die so in Polymeren noch nicht beobachtet wurde“, erklärt Arras.

Abb.: Die im Polymerträger ausgerichtete Kohlenstoff-Nanoröhren in einer Aufnahme mit einem Transmissionselektronenmikroskop (Foto: AG Jandt, FSU)

Da Kohlenstoff-Nanoröhrchen ähnliche physikalische Eigenschaften wie Keramiken haben, werde sie zu dieser Werkstoffgruppe gezählt. „Wir erwarten fantastische neue Eigenschaften des neuen Polymer-Keramik-Verbundwerkstoffs“, freut sich Jandt, warnt aber vor zu großer Euphorie: „Bis zum Einsatz des Weltraumlifts werden sicher noch einige Jahre vergehen.“

FSU / OD

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