11.06.2012

Neue Röntgentechnik mit höherer Schärfe und weniger Strahlungsbelastung

Wissenschaftler haben eine neue Röntgentechnik entwickelt, die den Kontrast von Computertomographen (CT) drastisch verbessert und zugleich die während der Aufnahme freigesetzte Strahlendosis reduziert.

Die Methode basiert auf einer neuartigen Kombination der Gitter-Interferometrie, die sich durch hohen Kontrast auszeichnet, mit der Computertomographie, die dreidimensionale Röntgenaufnahmen erzeugt. Die Technik kann auch im Krankenhaus eingesetzt werden, wo sich Röntgen-Quelle und Detektor während eines Scans kontinuierlich um den Patienten drehen müssen. Bei einer klassischen Röntgenaufnahme wird die Intensität eines Röntgenstrahls hinter dem Untersuchungsobjekt aufgezeichnet. Die Bildgebung beruht dabei auf Variationen in der Absorption der Röntgenstrahlung in den verschiedenen Bestandteilen des untersuchten Körpergewebes. Im medizinischen Bereich ist dieses Verfahren oft nur eingeschränkt verwendbar, zum Beispiel wenn Krebszellen nur wenig Kontrast zu gesundem Gewebe zeigen.

Abb.: Röntgenaufnahme einer in Bernstein eingeschlossenen Wespe, deren Flügel in voller Länge sichtbar sind. Frühere Röntgenaufnahmen dieses Fossils hatten dieses Detail nicht abbilden können. (Bild: ESRF/I. Zanette)

Neue Röntgentechniken setzen an diesem Problem an: Sie verlassen sich nicht ausschließlich auf die Absorption, sondern verbessern den Kontrast durch die Beobachtung anderer Wechselwirkungen der Röntgenstrahlung mit Materie. Die Gitter-Interferometrie setzt zum Beispiel Mikrostrukturen als optische Gitter für Röntgenstrahlen ein. In Kombination mit einem Röntgentomographen können mit diesem vielversprechenden Verfahren virtuelle Schnittbilder und damit dreidimensionale Darstellungen eines Objekts erzeugt werden.

Einem Wissenschaftlerteam um Irene Zanette von der Technischen Universität München und der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble ist nun mit der Entwicklung des sogenannten Schiebefenster-Verfahrens ein wichtiger Schritt in Richtung klinische Anwendung geglückt. „Wir wollten die Lücke zwischen dem außerordentlichen Potenzial dieser Technik und ihrer klinischen Anwendung schließen“, erklärt Timm Weitkamp, Co-Autor der Studie vom Synchrotron SOLEIL. „Das Schiebefenster-Verfahren verkürzt die Messzeit und reduziert daher die Dosis. Es ermöglicht zugleich, Röntgenquelle und Detektor, wie in klinischen Tomographen notwendig, kontinuierlich um den Patienten zu drehen, anstatt, wie bisher in der Gitter-Interferometrie erforderlich, die Drehung bei jeder Einzelaufnahme zu unterbrechen“, so Weitkamp.

Die außergewöhnliche Auflösung der neuen Technik demonstrierten die Wissenschaftler mit Aufnahmen der Weichteile einer Ratte, in denen auch kleinste Details wiedergegeben werden wie z.B. einzelne Hodenkanälchen, winzige Röhren, in denen Spermien gebildet werden. „Diese Strukturen sind in normalen Tomographieaufnahmen schlichtweg unsichtbar, selbst wenn in hoher Auflösung gemessen wird, nicht nur wegen ihrer geringen Größe, sondern vor allem wegen mangelnden Kontrasts“, fügt Irene Zanette hinzu, der von der ESRF für ihre Arbeiten kürzlich der Jahrespreis für junge Wissenschaftler verliehen wurde.

Die Gitter-Interferometrie erlaubt neben der Phasenkontrast auch die Dunkelfeldtechnik anzuwenden. Diese zeigt winzige Strukturen im Objekt auf, die kleiner als ein einzelnes Pixel sind, zum Beispiel Fasern, Risse oder Poren. Dieses Ergebnis regt den Einsatz der Dunkelfeld-Tomographie in Paläontologie und Materialforschung sowie im medizinischen Bereich an, wo z.B. winzige Risse in Knochen oder kleinste Fasern im Körpergewebe sichtbar gemacht werden können.

Die Wissenschaftler sehen deshalb für die neue Bildgebungstechnik vielfältige Potenziale: In der Biologie, den Materialwissenschaften und der Paläontologie könnte die Technik zum Einsatz kommen, ebenso möglicherweise in einer neuen Generation Computertomographen im Krankenhaus.

TUM / PH

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