Neuer Mechanismus der Wärmeleitung
Verstärkte Wärmeoszillationen in einem tiefgekühlten Halbleiter entdeckt.
Wie herkömmliche Materialien wie Metalle und Isolatoren Wärme leiten, ist gut bekannt. Unter extremen Bedingungen, etwa Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt in Verbindung mit starken Magnetfeldern, wo seltsame Quanteneffekte zu dominieren beginnen, sind die Dinge jedoch nicht so klar. Dies gilt insbesondere für Quantenmaterialien. Ein Team des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der Universität Bonn und des Centre national de la recherche scientifique (CNRS) setzte nun das Halbmetall Zirkoniumpentatellurid (ZrTe5) hohen Magnetfeldern und sehr tiefen Temperaturen aus. Die Forschenden fanden dramatisch verstärkte Wärmeoszillationen, die durch einen neuartigen Mechanismus verursacht werden. Dieses Ergebnis stellt die weit verbreitete Annahme in Frage, dass magnetische Quantenoszillationen im Wärmetransport von Halbmetallen nicht nachweisbar sein sollten.

Das Quantenmaterial gehört zur Klasse der topologischen Halbmetalle. In solchen Materialien können Quanteneffekte zu unkonventionellen und oft bizarren Phänomenen führen, die eine entscheidende Rolle bei der Weiterentwicklung künftiger Quantentechnologien spielen könnten. Sowohl in der Forschung als auch in der Industrie werden derzeit erhebliche Anstrengungen zur Entwicklung von Quantencomputern unternommen, wobei sich topologische Materialien als vielversprechender Weg zu deren Umsetzung erweisen. So wie ZrTe5: Es vereint eine seltene Kombination nicht trivialer elektronischer Eigenschaften, die es für hochpräzise elektronische Anwendungen und Magnetfeldsensoren potentiell relevant machen.
„Wenn ein normales Metall wie Silber oder Kupfer bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, also bei –273,15 °C in starke Magnetfelder gebracht wird, ist zu erwarten, dass seine Wärmeleitung oszilliert – ein eindrucksvolles Beispiel für die quantenmechanische Dynamik von Elektronen in Metallen. Dieser Effekt entsteht durch die Existenz der Fermi-Fläche, einer Grenze zwischen besetzten und unbesetzten Energiezuständen der Elektronen in einem Metall“, erklärt Stanisław Gałeski, Gastwissenschaftler am Hochfeld-Magnetlabor Dresden (HLD). „Andererseits stehen in Halbmetallen nur sehr wenige Elektronen für den Wärmetransport zur Verfügung, so dass die Wärmeleitung nach allgemeiner Auffassung von Phononen dominiert wird. Diese Quantenoszillationen sollten daher beim Wärmetransport nicht nachweisbar sein“, fasst Gałeski die eher traditionellen Erwartungen zusammen. Mehrere neuere Experimente haben jedoch sehr große Quantenoszillationen in der Wärmeleitung von Halbmetallen gefunden, welche den zugrundeliegenden Mechanismus des Wärmetransports in Frage stellen.
Nun zeigt sich, dass dieses Phänomen auf einen unerwarteten Mechanismus für den Wärmetransport unter starken Magnetfeldern in Halbmetallen zurückzuführen ist. „Es stellte sich heraus, dass der Wärmetransport tatsächlich vor allem durch Gitterschwingungen dominiert wird. Durch das Vorhandensein starker Magnetfelder werden die Elektronenenergien jedoch in diskreten Energieniveaus eingeschlossen. Dieser Prozess verstärkt die Wechselwirkung zwischen den Elektronen und den Phononen erheblich. Infolgedessen nehmen die Phononen einige Eigenschaften der Elektronen an und zeigen ihrerseits Quantenoszillationen in der Wärmeleitung“, sagt Toni Helm vom HLD.
„Wir haben die Existenz dieses unkonventionellen Phänomens durch die Untersuchung der Wärmeleitfähigkeit und der Ultraschalldämpfung in halbmetallischem ZrTe5 in starken Magnetfeldern und bei Temperaturen von nur einem Bruchteil eines Grades über dem absoluten Nullpunkt bestätigt. In unserem Experiment haben wir deutliche thermische Quantenoszillationen mit einer für das elektronische Teilsystem charakteristischen Frequenz nachgewiesen. Die Temperaturabhängigkeit ihrer Amplitude folgt jedoch eindeutig dem charakteristischen Verhalten der Phononen – ein klarer Nachweis des vorgeschlagenen Mechanismus“, sagt Gałeski.
Bemerkenswerterweise ist dieses Prinzip nicht auf ZrTe5 beschränkt, sondern gilt für alle Halbmetalle mit geringer Ladungsträgerdichte – ganz unabhängig davon, ob sie topologisch sind oder nicht. Bekannte Beispiele sind Graphen und Wismut. Die Studie legt nahe, dass die Wärmeleitfähigkeit von Gitterschwingungen als empfindlicher Sensor zur Untersuchung subtiler Quanteneffekte dienen kann, die anders kaum nachweisbar wären.
HZDR / JOL