26.02.2018

Optische Distanzmessung mit Rekordgeschwindigkeit

Solitonen-Frequenzkämme ermöglichen hundert Millionen Messungen pro Sekunde.

Mit einer neuen Messmethode hat ein Forscherteam am Karls­ruher Institut für Techno­logie gemein­sam mit Kollegen der Eid­genös­sischen Tech­ni­schen Hoch­schule Lausanne die bis­lang schnell­ste Ent­fer­nungs­messung demon­striert. Den Wissen­schaftlern gelang es, das Profil einer Gewehr­kugel im Flug mikro­meter­genau zu bestimmen. Sie nutzten dazu erst­mals einen Soli­tonen-Frequenz­kamm, der mittels eines Mikro­reso­na­tors auf einem optischen Chip erzeugt wurde. Eine mög­liche Anwen­dung sind echt­zeit­fähige 3-D-Kameras auf Basis hoch­prä­ziser und kom­pakter LIDAR-Systeme.

Abb.: Demonstrationsaufbau einer ultra­schnellen Distanz­messung: Der Lauf eines Luft­gewehrs ist fest ein­ge­spannt und der beim eigent­lichen Ver­such unsicht­bare Laser­strahl wird auf die Flug­bahn der abge­feuerten Pro­jek­tile aus­ge­richtet. (Bild: L. Tkotz, KIT)



LIDAR, die Entfernungsmessung mit Hilfe von Lasern, ist seit Jahr­zehnten eine etab­lierte Methode. Optische Distanz­mess­ver­fahren halten heute Ein­zug in viel­fältige neue Anwen­dungen, beispiels­weise die Navi­ga­tion von auto­nom flie­genden Objekten wie Drohnen oder Satel­liten oder die Prozess­kon­trolle in intel­li­genten Fabriken. Diese neuen Anwen­dungen stellen komplexe Anfor­de­rungen an die Geschwin­dig­keit, die Genauig­keit und die Größe von optischen Distanz­mess­systemen. Christian Koos vom KIT und Tobias Kippen­berg an der ETH Lausanne und ihre Mitar­beiter arbeiten an einem ultra­schnellen und hoch­ge­nauen LIDAR-Konzept, welches in einer Streich­holz­schachtel Platz finden soll.

Die Grundlagen hierfür haben sie jetzt vorgestellt. Die Leistungs­fähig­keit ihres Ansatzes demon­strierten die Forscher mit einer Gewehr­kugel, die sich mit einer Geschwin­dig­keit von 150 Meter pro Sekunde bewegte. „Mit unserem Ver­fahren konnten wir die Ober­flächen­struktur des Pro­jek­tils im Flug mikro­meter­genau abtasten“, sagt Philipp Trocha, einer der Mitar­beiter. „Dazu wurden hundert Millionen Distanz­werte pro Sekunde aufge­nommen – das ist die schnellste Ent­fernungs­messung, die jemals durch­ge­führt wurde.“

Möglich wurde die Demonstration durch eine neuartige, an der EPFL entwickelte Licht­quelle, mit deren Hilfe ein opti­scher Frequenz­kamm erzeugt werden kann. Die breit­bandigen Frequenz­kämme ent­stehen in optischen Mikro­resona­toren. Dabei handelt es sich um winzige kreis­runde Struk­turen, in die Licht aus einer Laser­quelle ein­ge­speist wird. In diesen Mikro­resona­toren ent­stehen aus dem konti­nuier­lich zuge­führten Laser­licht Soli­tonen, spezielle Wellen­pakete, die einen regel­mäßigen Zug aus ultra­kurzen optischen Pulsen bilden und damit ein breit­bandiges Spektrum an Wellen­längen besitzen. Die einge­setzten Mikro­resona­toren wurden an der EPFL herge­stellt, wo optische Struk­turen aus Silizium­nitrid erforscht werden. „Wir haben äußerst verlust­arme optische Mikro­resona­toren ent­wickelt, in denen sich sehr hohe optische Inten­si­täten erzeugen lassen – eine Grund­voraus­setzung für die Soli­tonen-Frequenz­kämme“, sagt Kippenberg.

Die Forscher kombinieren bei ihren Arbeiten Erkennt­nisse aus ver­schie­denen Bereichen. „Wir haben uns in den letzten Jahren intensiv mit Ver­fahren zur ultra­schnellen Terabit-Kommu­ni­ka­ion mit Soli­tonen-Frequenz­kämmen aus Mikro­resona­toren befasst“, erklärt Koos. „Diese Erfah­rungen haben wir hier auf eines unserer anderen Forschungs­gebiete über­tragen – die optische Distanz­messung.“ Grund­sätz­lich handelt es sich bei optischen Frequenz­kämmen um Licht, das eine Viel­zahl präzise defi­nierter Wellen­längen bein­haltet – das Spektrum erinnert in einem Diagramm darge­stellt an die Zinken eines Kammes. Kennt man die Struktur eines solchen Kammes, dann kann das Inter­ferenz­muster bei der Über­lage­rung mit einem zweiten Frequenz­kamm genutzt werden, um die vom Licht zurück­ge­legte Strecke zu bestimmen. Je breit­bandiger die einge­setzten Frequenz­kämme dabei sind, umso genauer kann die Distanz gemessen werden.


Ihren Versuch mit der Gewehrkugel sehen die Wissenschaftler als eine erste Demon­stra­tion der neuen Mess­methode. Präzi­sion und Geschwin­dig­keit der Rekord­messung stehen als wichtiger Meilen­stein für sich, doch dabei soll es nach ihrer Vor­stel­lung nicht bleiben. „Wir müssen zwar noch viele Schwierig­keiten über­winden, aber unser Ziel ist ganz klar ein einsatz­fähiger Demon­strator“, erklärt Denis Ganin vom KIT. Beispiels­weise ist die Reich­weite des Ver­fahrens bisher auf typische Distanzen von unter einem Meter begrenzt. Des Weiteren generiert die Messung eine Daten­flut, deren Echt­zeit­aus­wertung Standard­pro­zes­soren über­fordert. Der Fokus liegt vor allem auf einem mög­lichst kompakten Design – der Sensor soll nicht nur hoch­ge­naue Mess­ergeb­nisse liefern, sondern gleich­zeitig auch nicht viel größer als eine Streich­holz­schachtel sein.

Für einen solchen Sensor gebe es eine ganze Palette von Einsatz­möglich­keiten, erklärt Ganin. So könnten die Produkte einer digitalen Fabrik noch in der Ferti­gungs­straße hoch­genau auf Fehler unter­sucht werden, während heute die Prüfung allen­falls bei Stich­proben möglich ist und für ein ein­zelnes Teil mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann. Leistungs­starke 3-D-Kameras wären mit dem neuen LIDAR-Konzept eben­falls denk­bar und könnten in Zukunft für auto­nome Navi­ga­tion auf vielen Feldern Anwen­dung finden.

KIT / RK

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